Aktuell:
> Emmanuel Macron: Discours sur la stratégie de défense et de dissuasion devant les stagiaires de la 27ème promotion de l’Ecole de guerre – 13. Februar 2020
Ergänzung:
Sehr lesenswert: Michel Duclos> Emmanuel Macron – „l’Europe au bord d’un précipice“ Blog de l’Institut Montaigne – 20 Novembre 2019:
„Sa frustration fondamentale vis-à-vis de l’Europe vient de l’Allemagne.“
Unsere Redaktion analysiert das Interview mit Staatspräsident Emmanuel Macron, das am 7. November 2019 in The Economist erschienen ist.
Macron hatte u.a. gesagt: „L’instabilité du partenaire américain et la montée des tensions font que l’idée d’une Europe de la défense s’installe progressivement. C’est un véritable aggiornamento d’une Europe puissante et stratégique. J’ajoute que nous devrons à un moment faire le bilan de l’OTAN. Ce qu’on est en train de vivre, c’est pour moi la mort cérébrale de l’OTAN. Il faut être lucide.“ Seine Kritik an der NATO bezieht sich u. a. auf die erfolglose „déconflictuation“ im Norden Syriens. Die Türkei, ein Mitgliedsstaat der NATO hatte im Norden Syrien die Kurden angegriffen. Aber Macron will auch, dass in Europa die Verteidigungsanstrengungen hinsichtlich einer europäischen Souveränität verstärkt werden.
In seinem Interview hat er alle besonderen Merkmale Europas genannt „Moi, je pense que l’Europe est un miracle“, die er unter dem Begriff > Souveränität von Europa verstärken und ausbauen möchte. Dabei soll die Souveränität der Mitgliedsstaaten gestärkt werden, aber die europäsische Souveränität soll alle beschützen.
Ohne die NATO wäre dieser Erfolg wohl nicht möglich gewesen: „C’est ce qui explique que pendant presque deux millénaires l’Europe était bousculée par des guerres civiles permanentes. Et depuis 70 ans, on a réussi un petit miracle géopolitique, historique, civilisationnel : une équation politique sans hégémonie qui permet la paix. On doit cela au fait que l’Europe a vécu l’une des guerres les plus brutales, la plus brutale de son histoire, et a été je dirais au fond du mal au XXème siècle.“
> Emmanuel Macron warns Europe: NATO is becoming brain-dead – The Economist – 7 novembre 2019
> Emmanuel Macron in his own words (English)- The Economist
> Ce qu’a vraiment dit Macron à The Economist sur l’Otan et l’Europe – in Challenges – Par The Economist le 08.11.2019
> Schonungsloser Angriff auf Merkels Ideen. Ein Kommentar von Michaela Wiegel, Paris – FAZ 08.11.2019
> Der Gastbeitrag von Emmanuel Macron: Ein Appell zugunsten Europas – www.france-blog.info 5. März 2019
Das Interview mit Staatspräsident Macron, das The Economist am 8.11. veröffentlicht hatte, ist in Callenges auf Französisch erscheinen.. In dem Interview ging es um den Brexit, das Gewicht Europas, die deutsch-französischen Beziehungen und die Zukunft der Nato. Der in der Presse beklagte Ausdruck der „Gehirntod der NATO“ mit dem Macron die NATO kritisierte, bezog sich vor allem auf das militärische Eingreifen der Türkei als Mitglied der NATO in Nordsyrien, das mit der NATO nicht abgesprochen war.
Ulrike Esther Franke > Two people separated by a common idea: Why Macron and AKK agree – European Council for Foreign affairs ecfr.eu -12. November 2019
Vgl. > Der Appell von Emmanuel Macron und die Antwort von Annegret Kramp-Karrenbauer – 12. März 2019
Auf die Frage, warum er in seiner Rede vor den Botschaftern am 27.8.2019: “La stratégie de l’audace”: > www.france-blog.info/rede-von-praesident-macron-vor-den-botschaftern-am-27-8-2019, sich so pessimistische bezüglich der Zukunft Europas geäußert habe, erinnerte Präsident Macron an den Brexit, die schleppende Entwicklung Europa und einen amerikanischen Partner, der sich von strategischen Fragen abwende. Aber Europa sei doch ein Wunder mit der größten Konzentration kultureller und sprachlicher Vielfalt. Die würde auch die Kriege erklären, die zweitausend Jahre lang Europa erschüttert hätten. Seit 70 gebe es jedoch ein Wunder: „eine politische Gleichung ohne Hegemonie, die den Frieden erlaubt“.
Das politische Projekt Europa habe nun aber seine Geschichte aus dem Auge verloren. Statt sich an seine Gemeinschaft zu erinnern, habe es seit Beginn der 90er Jahre auf einen Markt mit Expansion gesetzt. Das sei ein Fehler gewesen, denn eine Gemeinschaft ist stärker, sie habe solidarische Elemente und eine Konvergenz, die man aufgegeben habe.
Ursprünglich war Europa ein „Junior Partner“ der Amerikaner im Rahmen des Marshall-Plans. Zugleich entstand die NATO und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Seit zehn Jahren gebe es aber nicht nur wegen Trump eine Veränderung : Präsident Obama sagte: „Ich bin ein Präsident des Pazifik“. Die USA sähen nach China und haben sich aus dem Nahen Osten zurückgezogen. Die Folge sei . u.a. die Nicht-Intervention in Syrien nach dem Gebrauch chemischer Waffen gewesen.
Emmanuel Macron erinnert daran, dass die USA unser großer Verbündeter bleiben; er lege großen Wert auf diese Beziehung und habe viel in das Verhältnis mit Trump investiert.
Aber zum ersten Mal teile ein amerikanischer Präsident nicht die Idee eine europäischen Projekts. Das habe Folgen, besonders wie es sich in Syrien zeige. Folglich meint Macron, dass wir unsere Verteidigung, unsere Sicherheit, die Bedingungen unserer Souveränität von uns aus denken müssen: „C’est pourquoi notre défense, notre sécurité, les éléments de notre souveraineté, doivent être pensés en propre.“ Macron erinnert an die geopolitische Lage mit einer sich abzeichnenden bipolaren Lage China /USA, die Europa an den Rand dränge. Außerdem schwächen uns zwei autoritäre Regime wie Russland und die Türkei zusätzlich.
Der Aufstieg populistischer Parteien überall in Europa als Folge einer Nord/Süd Teilung und der Migrantenkrise lasse Europa weniger regierbar erscheinen. Und Macron wiederholt seine Warnung vor einem geopolitischen Verschwinden Europas.
Er wünscht eine Rückkehr zu einer militärischen Souveränität, die mit den deutsch-französischen Rüstungsprojekten zusammen mit der Europäischen Interventionsinitiative gute Fortschritte mache. Die Instabilität der USA führe zu der Idee einer Verteidigung von Europa du zu einer Bilanz der NATO: „Das was wir jetzt erleben ist der Hirntod der NATO: Man muss einen klaren Kopf behalten. „Ce qu’on est en train de vivre, c’est pour moi la mort cérébrale de l’OTAN. Il faut être lucide. “
Im Interview wird Macron um eine Präzisierung dieses Vorwurfs gebeten. Er bedauert die fehlende strategische Abstimmung im Bündnis. Ein Mitgliedsstaat greife ein anderes Land an. Es gebe keine Absicht der NATO, diesen Konlikt zu vermeiden, dabei sei doch die Einsatzfähigkeit der NATO durchaus gesichert:” Je pense que l’interopérabilité de l’OTAN fonctionne bien.” Das Problem bestehe auf strategischer und politischer Ebene. Was passiere, wenn Assad die Türkei angreife? Werde es dann zum Bündnisfall gemäß Artikel 5 kommen? Europa müsse sich wieder auf seine eigene Verteidigungsfähigkeit besinnen. Ein strategischer Dialog, ein Neubeginn des Nachbarschaftsdialogs, müsse auch mit Russland geführt werden.
Macron nennt die Europäische Interventionsinitiative, deren Stresstest aber noch ausstehe, komplementär zur NATO. Er glaubt, die Strategie der NATO müsse neu gedacht werden. Beim Engreifen in Syrien habe man die Mechanismen der NATO „interopérabilité de l’OTAN“ benutzt, aber die NATO selber habe nicht eingegriffen. Damit stelle sich die Frage nach dem Zweck der NATO. Trump begreife die NATO als ein kommerzielles Projekt und man müsse deshalb auch amerikanische Waren kaufen. Das sehe Frankreich nicht so
NATO > Towards the new strategic concept – A selection of background documents – 30. Juli 2012.
„A compilation of key NATO strategy documents to understand the evolution and future development of NATO’s strategic orientation. The collection includes the North Atlantic Treaty (1949), NATO’s previous Strategic Concepts (1991 and 1999), the 2006 Comprehensive Political Guidance document and the 2009 Declaration on Alliance Security.“
Klaus Wittmann, Die verteidigungspolitische Situation an der Südflanke der NATO. Veröffentlichungen der Konrad-Adenauer-Stiftung. St. Augustin 1984.
—, Challenges of Conventional Arms Control. London 1989 (International Institute for Strategic Studies. Adelphi Paper 239).
—, Towards a new Strategic Concept for NATO. NATO Defense College, Rom, September 2009 (Forum Paper 10). Online > www.ndc.nato.int/download/downloads.php?icode=123
—, zusammen mit Ronald Asmus, Stefan Czmur, Chris Donnelly, Aivis Ronis, Tomas Valasek, , NATO, new allies and reassurance. Policy Brief. London: Centre for European Reform, May 2010.
—, NATO’s new Strategic Concept. An Illustrative Draft. September 2010.
—, Gewandeltes Selbstverständnis und erweitertes Aufgabenspektrum. Der Weg zum neuen Strategischen Konzept der NATO. In: Heiner Timmermann, August Pradetto (Hrsg.), Die NATO auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen . Bd. 104). Münster/Hamburg/London: LIT Verlag 2011, S. 103–121.
—, Europäische Verantwortung und «Europäische Armee». In: Fabian Forster, Sascha Vugrin, Leonard Wessendorf (Hrsg.), Das Zeitalter der Einsatzarmee. Herausforderungen für Recht und Ethik (Wissenschaft und Sicherheit. Bd. 8), Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2014, S. 194–209.
Macron gibt zu, dass Europa heute noch nicht glaubhaft sei, seine Verteidigung sei heute komplementär zu NATO. Macron hingegen vertritt die Ansicht, die europäische Verteidigungsfähigkeit müsse ausgebaut werden und es müsse seine Sicherheitspolitik auf die Nachbarschaftslagen abstimmen: „Mais je pense aussi qu’elle doit se muscler, parce qu’elle doit décider et de plus en plus assumer sa politique de sécurité sur le plan du voisinage, c’est légitime.“ Trump habe ihm gesagt, dass Djihadisten nicht sein Problem seien. Macron schließt daraus, dass die NATO im Begriff sei, sich zu wandeln.
Im folgenden beantwortet Macron Fragen zum Digitalisierung, besonders zur Künstlichen Intelligenz, zur Datenspeicherung, und dem G5 Standard, zivile Projekte, die aber zivil-militärische Technologien seien. „Beim 5G Standard, sei Europa geteilt…“ lautet der Einwurf, es gebe keine Koordination in Europa, antwortet Macron. In diesem Zusammenhang lautet sein Vorwurf: Man habe in diesem Falle ein Souveränität völlig aufgegeben, Themen im allgemeinen Interesse könnten nicht von Unternehmen gehandhabt werden: „On a en quelque sorte complètement abandonné ce qui était la grammaire de la souveraineté, qui sont des sujets d’intérêt général qui ne peuvent pas être gérés par les entreprises“ Damit bezieht sich Macron nciht nur indirekt auf seine Vorstellungen zu einer Souveränität Europas, die ihre Mitgliedsstaaten beschützen soll, ohne deren Souveränität zu behindern.
Macron bedauert ferner, dass die Vertiefung der Eurozone mit der Einrichtung der Bankenunion schleppend verlaufe und Europa wegen des Problems der Migranten geteilt sei. Die Lösungsansätze dafür seien zu zeitraubend
In Bezug auf den Brexit, meint Macron, er glaube, dass die Mittelklasse in England ein europäisches Modell brauche, dass ihr mehr Schutz biete.
Deutschland habe die Krise um 2000 besser geregelt. Zu Zeit sei es nicht im gleichen wirtschafltichen oder politischen Zyklus („Quelle est la difficulté avec les Allemands ? Ils ne sont pas au même moment du cycle économique et politique, donc il faut qu’on arrive à rephaser. “) Offenkundig erwartet Macron mehr von Deutschland : es muss sich doch mal bewegen: „à un moment donné ils vont devoir repivoter.“ Macnhmal dauert es, aber wenn sie sich bewegen, sind sie besser organisiert als viele,
Es folgt eine längere Passage über die Weltpolitik: „Die stärksten Gefahren die den Humanismus heute bedrohen, kommen von den autoritären Regimen, aber auch von politisch-religiösen Ideologien. Der radikal politische Islam ist der erste Feind der europäischen humanistischen Werte die auf dem freien und vernünftigen Individuum, die Gleichheit zwischen Mann und Frau, die Emanzipation beruhen.“ (Aujourd’hui la principale menace à l’humanisme sont les régimes autoritaires, mais aussi l’idéologie religieuse politique. L’Islam politique radical qui monte est sans doute le premier ennemi des valeurs humanistes européennes qui reposent sur l’individu libre et raisonné, l’égalité entre la femme et l’homme, et l’émancipation.) Und er erinnert wieder an den Dialog mit Russland: Wenn wir den Friede in Europa schaffen wollen, müssten wir unser Verhältnis zu Russland überdenken. Damit meint er, Russlands Befürchtungen müssten ernstgenommen werden und das Ausgreifen der NATO und der EU sollten wohl bedacht sein.
Vgl. dazu: K. Wittmann, Towards a new Strategic Concept for NATO. NATO Defense College, Rom, September 2009 (Forum Paper 10). S. 31-38.
Online > www.ndc.nato.int/download/downloads.php?icode=123
In der letzten Antwort erwähnt Macron nochmal den oben angesprochen “Gehirntod der NATO”. Die Türkei sollte ihr Mitglied bleiben, dennoch müsse die ANTAO auch ihr gegenüber eine klare Haltung einnehmen. Vom “Gehirntod der NATO” habe gesprochen, weil die NATO ihre Mitgleider nicht steuert / im Griff hat: “Ce qu’on a vu, pourquoi j’ai parlé de mort cérébrale, c’est que l’OTAN en tant que système ne régule pas ses membres.” Und in dem Moment, wo ein Mitglied fühle , dass es ein Recht hbae, eine bestimmte Entscheidung zu treffen – die die USA ihm zugestehen -, dann mache es das. Das ist es, was passiert sei.