15 deutsch-französische Vorschläge für das digitale Europa

28. Oktober 2015 von H. Wittmann



Gestern fand im Elysée-Palast eine > Grande conférence numérique franco-allemande présidée par Angela Merkel et François Hollande statt. Dabei legten Deutschland und Frankreich 15 Punkte vor, mit denen das digitale Europa geschaffen werden soll. Kein Wort davon in der Tagesschau gestern abend, nur die Konferenz wurde erwähnt. Kein Wort von der Konferenz in den wegen Fußball verkürzten Tagesthemen, kein Wort in den Spätnachrichten des Heute Journal. Schade, so bekommen die Zuschauer von der Intensität der deutsch-französischen Kooperation eben nichts mit: Deutsch-französische Beziehungen – 417 Artikel auf unserem Blog. Das Fernsehen verniedlicht, verkleinert, verkürzt alles.

> La première conférence franco-allemande du numérique – Les 15 propositions franco-allemandes pour une transformation numérique de l’Europe – Website L’Usine digitale

Im September hatten die beiden Wirtschaftsminister den > CNNum und den > Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ BJDW mit der Erstellung einer gemeinsamen Studie beauftragt: > Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel beauftragen zusammen den BJDW und den CNNum mit einer Studie zur Stärkung des digitalen europäischen Binnenmarktes. Jetzt wurden im Elyséepalast die Ergebnisse übergeben: > Plan d’action “Agir pour l’innovation” #API #ConfNum #FrDE – Website des CCNum


Photo: (c) CNNum

Es lohnt sich, die Empfehlungen genau zu lesen. Einiges ist schon bekannt, bedenkt man aber die riesigen digitalen Unterschiede zwischen deutschen und französischen Schulen – man darf ja immer noch fragen, > ob der Französischunterricht in unseren Schulen noch immer 1.0 oder schon 2.0 ist dazu auch: > Frankreich und Deutschland: Der Vergleich V Web 2.0 in der Schule, dann wird schnell deutlich, dass der verstärkte Austausch besonders auf dem Gebiet der digitalen Wirtschaft, auf französisch le numérique – als umfassender Begriff, der auch die Bildung mit einschließt, für beide Seiten große Vorteile bringen wird.

Es darf dabei nicht übersehen werden, dass der CNNum in Frankreich (Unser TV-Studio: > Nachgefragt: Benoît Thieulin, CNNum) viel bekannter, viel größer als sein deutsches Pendant der bjdw bei uns ist. Der Beirat „Junge digitale Wirtschaft“ ist bei uns wenig bekannt und in der Öffentlich kaum in Erscheinung getreten. Nachdem der CNNum in Frankreich Pate des > Berichts Jules Ferry 3.0 gewesen ist, mit dem das digitale Lernen in allen seinen Aspekten untersucht worden ist, und der CNNum im Juni 2015 seinen > Bericht #AmbitionNumérique (> Vorgestellt. Webmontag in Stuttgart: Der Bericht #AmbitionNumerique des CNNum) vorgelegt hat, ergeben sich durch diese Kontakte sicherlich auch bei uns eine Aufwertung des bjdw.

Deutschland kann von Frankreich in Sachen digitaler Wirtschaft/le numérique einiges lernen. Das neue Digitalgesetz, das von der Staatssekretärein Axelle Lemaire gerade als Gesetzesvorschlag vorbereitet wird, stand in einem Anhörungsverfahren online öffentlich zur Diskussion > La République numérique en actes : Le projet de loi pour une République numérique. Das gab es in Berlin noch nie. Ob man in Paris bei der Auswertung der Anhörung unserer Präambel > https://www.republique-numerique.fr/consultations/projet-de-loi-numerique/consultation/consultation/opinions/section-1-ouverture-des-donnees-publiques-1/preambule-1 berücksichtigen wird? die Umfrage des CNNum
Sicherlich hat die Umfrage des CNNum bei der Organisation der öffentlichen Anhörung zum Digitalgesetz als Vorbild gedient.

Fassen wir den den > deutsch-französischen AKtionsplan für Innovation (API) (> Kurzfassung auf der Website gestarted.de) zusammen:

Beide Seiten „fordern, dass ‚digitale Bildung‘ schrittweise in wesentliche Bildungsprogramme integriert wird“. Alle Bürgerinnen und Bürger sollten „digitale Technologien (wie Programmieren, algorithmische Programmiersprachen, Datenanalyse, Robotik, Webdesign, 3D­Druck etc.) beherrschen“, außerdem sollten sie auch „alle Dimensionen der digitalen Revolution (die soziale, politische, wirtschaftliche, technische und ethische) verstehen und Fähigkeiten entwickeln, die für Unternehmertum und Innovation qualifizieren (Projekte, Kooperation etc.).“ Beide Räte sind der Auffassung digitale Studiengänge könnten ein nützlicher Beitrag zur Verbesserung von Lehrplänen, Inhalten, Methoden und Bewertung sein.

Beide Räte fordern als Schwerpunkt des europäischen Fahrplans massive Investitionen in die digitale Bildung ­ auf drei Ebenen „Anpassung von Lehrmethoden, Lerninhalten und Instrumenten an die Bedürfnisse der digitalen Gesellschaft, Förderung der Entwicklung eines wettbewerbsfähigen E­Education­Sektors; Einrichten neuer Lehrstühle und Forschungszentren für E­Entrepreneurship, Aufbau von Kompetenzen in den Bereichen elektronische Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle, Erhalt eines großen Potenzials für Innovation und soziale Kompetenz für Beschäftigte in KMU und großen Industrieunternehmen.“

In dem Papier wird die Stärkung eines offenen und kooperativen Netzwerks europäischer digitaler Schulen, Institute, Forschungszentren etc. auf europäischer Ebene beschrieben. Die Ressourcen­vVergemeinschaftung solle vereinfacht werden, ein europäisches transdisziplinäres Forschungsprogramm für die digitale Transformation entstehen, die ‚digitalen Studiengänge‘ (wirtschaftliche, soziale, rechtliche, technische, ethische und organisatorische Aspekte), grenzüberschreitende Bildungs­ und Forschungsprojekte sowie die Mobilität von Studierenden und Forschern erleichtert werden. „Wir sollten Teil eines erneuerten europäischen Bildungs­ und Forschungsumfeldes sein, das Transdisziplinarität, Multikulturalismus, Wissenstransfer und Unternehmergeist fördert. Es könnten starke und sichtbare Partnerschaften zwischen dem künftigen Deutschen Internet-­Institut und seinem/n französischen Pendant/s entstehen.“

Europäische Ökosysteme für E­Startups: „Wir sollten europäische Märkte für eine grenzüberschreitende Koordinierung der Beteiligten und Kooperation zwischen Startups, KMU und großen Industrieunternehmen unterstützen und wir sollten europäische Förderprogramme für die Unterstützung von Messen und Veranstaltungen einsetzen, die von digitalen Startups und für diese organisiert werden.“

Europäische Startups müssen ihren Ursprung in Europa haben. Sie sollten sich als „europäische und nicht als nationale Akteure positionieren. Frankreich und Deutschland sollten günstige und einheitliche steuerliche und soziale Bestimmungen für innovative Startups in Europa unterstützen, um deren Entwicklung zu fördern und Barrieren, die deren Internationalisierung behindern könnten, abzubauen.“

Unter der Überschrift „Europäisches Risikokapital für E­Innovationen“ wird ein attraktiveres europäisches Umfeld gefordert: Investitionen in Startups sollten in der Frühphase gefördert werden, Privatpersonen sollte es ermöglicht werden, in die Digitale Wirtschaft zu investieren. Startups und Investoren auf europäischer Ebene sollen einen besseren Zugang zum Finanzmarkt erhalten. Konkret heißt es in dem Papier: „Wir müssen in Europa im Bereich Eigenkapital ein besseres Gleichgewicht herstellen, das heißt uns weg von schuldenbasierter Finanzierung und hin zu eigenkapitalbasierter Finanzierung bewegen, um die Finanzierungskette an die innovationsbasierte Wirtschaft anzupassen: Dazu müssen wir die Rolle institutioneller Investoren (von Banken, Versicherungen, öffentlichen Akteuren) bei der Finanzierung von Innovationen anpassen und damit einen kulturellen Wandel anstoßen, um eine bessere Herangehensweise an neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.“

Im „Europäischen Digitalen Markt“ soll eine „eine Ratingagentur für Plattformen auf der Grundlage eines „Reputationshebels“ und der Verringerung von Informations­Asymmetrien durch flexiblere Instrumente schaffen, um die herkömmliche B2B­Regulierung zu ergänzen.“

Steuerschlupflöcher sollen gestopft werden: „Deutschland und Frankreich sollten erklären, dass Gewinne dort versteuert werden müssen, wo sie erzielt werden, und zu diesem Zweck müssen sie die Schaffung neuer Regeln zur digitalen Steuerpräsenz unterstützen und sich dazu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Regeln umzusetzen, insbesondere auf europäischer, aber auch auf internationaler Ebene, indem sie die Entwicklung internationaler Steuerabkommen unterstützen.“

TTIP:: „Erarbeitung eines offiziellen Dokuments, in dem die deutsch­-französische Position zu digitalen Fragen im Rahmen laufender Verhandlungen im Bereich des Handels (Trade in Services Agreement, Transatlantic Trade and Investment Partnership) festgelegt wird, die die externe Dimension des Digitalen Binnenmarktes prägen werden. …“

Digitale Transformation der europäischen Wirtschaft: In dem Papier werden Schwerpunktthemen der deutsch-französischen Kooperation genannt: Datenökonomie, Internet der Dinge, Big Data mittels Text Mining und Data Mining, Datenportabilität erarbeiten, um in Europa die Wiederverwendung von Daten in verschiedenen Anwendungen zu erleichtern.

Beide Räte fordern eine „deutsch­-französische offene Innovationsstrategie für Unternehmen …, indem wir günstige Rahmenbedingungen und gemeinsame Plattformen für die Zusammenarbeit von KMU und Großunternehmen mit Startups schaffen; dazu gehören auch Mechanismen für steuerliche Anreize.“

Beide Räte fordern die Europäische Union auf, „die Entwicklung von lokalen und offenen Innovations­ und Produktionswerkstätten (Fablabs, Hackerspaces und Makerspaces) finanziell unterstützen. Darüber hinaus sollten wir Forschungsprogramme zu neuen Produkten, Geschäftsmodellen, Technologien und den sozialen Auswirkungen mit Schwerpunkt auf den traditionellen Handwerksberufen und Studierenden fördern, um mehr über die derzeitige Aufwertung der digitalen Technologien und die zu erwartende Verwendung zu erfahren.“

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