Stadtbibliothek Stuttgart. Prof. Dr. Bernard Stiegler: Die Digitalisierung und die Zukunft Europas
15. Januar 2020 von H. Wittmann
> Unsere Redaktion berichtet über: Vortrag und Gespräch
Do 16.01. |19:30 Uhr | Stadtbibliothek Stuttgart | Mailänder Platz 1, 70173 Stuttgart | Eintritt frei | Frz. mit Simultanübersetzung
In der Reihe „Kulturtheorien“, verbunden mit der Reihe „Politik der Digitalisierung“.
> Prag: Außenminister Jean-Yves Le Drian spricht über die Souveränität, Sicherheit und Digitalisierung in Europa– 9. Dezember 2019
> Im Gespräch: Michel Desmurget, La fabrique de crétin digital – 25. Oktober 2019 > Sitographie: “Regeln” für soziale Netzwerke in der Politik – 29. Mai 2019 |
Vor allem europäische Investitionen haben zum Aufstieg des World Wide Web beigetragen. Und doch haben die digitalen Netze seit 1993 zur Schwächung Europas geführt. Bernard Stiegler zeigt, dass dies mit einem unzureichenden Forschungsengagement Europas in relevanten Wissensgebieten zusammenhängt. Auf Grundlage einer alternativen Lesart der Theorien von Entropie und Negentropie stellt er ein aktuelles Projekt aus einer Banlieue im Norden von Paris vor, das illustriert, wie Europa die Digitalisierung sinnvoll gestalten könnte.
Bernard Stiegler ist ein französischer Philosoph, der sich mit den sozialen, politischen, wirtschaftlichen, psychologischen Herausforderungen beschäftigt, die durch die technologische Entwicklung und insbesondere die digitalen Technologien entstehen. 2005 gründete er die philosophische Reflexionsgruppe Ars industrialis und seit April 2006 ist er Direktor des > Institut de recherche et d’innovation (IRI), das er im Zentrum Georges-Pompidou gründete.
Eine gemeinsame Veranstaltung des IZKT der Universität Stuttgart, des Institut français Stuttgart und der Stadtbibliothek Stuttgart. Die Veranstaltung wird von der Berthold Leibinger Stiftung gefördert.
2006 hat das Centre Pompidou auf Anregung des Philosophene Bernard Stiegler das Institut de recherche et d’innovation gegründet, in dem kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Aktivitäten unter dem Einfluss der Digitaltechnik untersucht werden sollen mit dem Ziel, neue kontributive Verfahren zu entwickeln: > @IRILive En direct de l’IRI
> Institut de Recherche et d’Innovation > Parisiri.centrepompidou.fr fondé par Bernard Stiegler.
In seinem Vortrag hat Bernard Stiegler alle Gefahren der ungebremsten Digitalisierung aufgezeigt. Eigentlich bestand sein Vortrag aus mehreren parallelen Teilen: Außer den Gefahren der Digitalisierung trug Stiegler auch eine spannende Wissenschaftsgeschichte vor.
Bernard Stiegler > Bibliographie
—, The Age of Disruption: Technology and Madness in Computational Capitalism, Cambridge: Polity Press 2019.
Sein wichtigstes Stichwort ist die Entropie. In einem Interview: Alexandre Lacroix, > Bernard Stiegler : “Repenser une politique industrielle à l’ère de l’Anthropocène et de l’automatisation” – PhiloMag 17/12/2018 erklärt Stiegler: „Pour moi qui suis un “homme de gauche”, la question importante est de savoir ce que serait une grande politique industrielle de gauche relevant les défis de l’Anthropocène et de l’automatisation – c’est à dire aussi face à l’“Intelligence artificielle”. Affronter cette question suppose de surmonter l’impensé de la critique marxienne, à savoir : l’entropie. Tous les systèmes complexes, tant au niveau biologique qu’au niveau social, sont voués à une déperdition de différentiel – d’énergie, de biodiversité, d’interprétation de l’information – qui mène au chaos entropique.“ Keine Frage, die PC-Technik ist millionenfach schneller als das menschliche Gehirn und steuert umso sicherer auf einen Unfall zu. Das Rechnen, das Kalkül als oberste Maxime der PC-Technik ist auf Konsens aus, es zerstört die Grundlagen der Kontroverse, die Stiegler als fundamentale Grundlage der Wissenschaft begreift. Er ist überzeugt, dass der freie Wille, le libre arbitre, durch die allumfassende Digitalisierung zerstört werden: Zum Vergleich dazu auf einem unserer Blogs: > Wie sozial sind soziale Netzwerke? – 30. Juli 2010 – Unserer Redaktion gefällt der Ansatz von Stiegler, sich auf Grundlage der ersten Texte der Philosophen mit seinem Ansatz der Wissenschaftsgeschichte die heutige Digitalisierung zu untersuchen und gleichzeitig das Internet auf allen Kanälen für die Präsentation seiner Forschungen zu nutzen. Es geht nicht um das kollaborative Arbeiten, sondern er verfolgt eine kontributiven Ansatz:
> Territoire Apprenant Contributif: „Nous vivons une profonde transformation de société liée à la diffusion massive des technologies numériques. Elle impactera très fortement l’emploi. Notre projet consiste à élaborer un nouvel modèle macro-économique centré sur les savoirs et à l’expérimenter sur le territoire de Plaine Commune, pour ensuite le généraliser.“
> Le blog de Bernard Stiegler – Médiapart: darin: B. Stiegler, > L’avenir numérique de l’Université – 7 nov. 2013 ***
Dazu auf unserem Blog > Essai. Lernen und Studieren mit dem Internet – 30. September 2016.
> Bernard Stiegler : « Faire de la Seine-Saint-Denis un territoire contributif » – NouvelObs 16.1.2017
https://twitter.com/GaelGiraud_CNRS/status/974246255432994816
> Projet d’expérimentation territoriale – Plaine Commune – Territoire apprenant contributif *.pdf – site France-Stratégie
Stiegler fordert als Ergebnis seiner Forschungen – eine Neukonzeption des WWW. Es ist bedauerlich, dass zu Beginn der 90er Jahre sich die Entwicklung des WWW, das am CERN in Genf erdacht worden war, sich in die USA verlagert habe. Europa müsse in dieser Hinsicht aufholen. Wird es möglich sein, dass Europa den beiden großen Märkten – ungezügelt in den USA, diktatorisch in China – einen eignen dritten Weg gegenüberstellen kann?
Bernard Stiegler, > Logik der Sorge – Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien. Aus dem Französischen von Susanne Baghestani, Berlin 2018.
Stiegler erinnert an die Sorbonne-Rede 2017 von Staatspräsident Macron, in der er eine neue Digtialpolitik für Europa anmahnte; > Initiative pour l’Europe – Discours d’Emmanuel Macron pour une Europe souveraine, unie, démocratique – 26. September 2017 von H. Wittmann.
Denken zu lehren, das geht nicht mit dem PC, so lautet Stieglers Urteil. Denn diese Technik, wie sie z. B. die grundlage von Facebook bildet fürhe zur Infantilisierung und zur Inbeschlagnahme der Konzentration. Leibniz‘ > Rechenmaschine von 1673 war ein Wunderwerk. Aber das erste Signal war gesetzt: Das Rechnen wurde allem vorangesetzt und das ist auch heute so. Stiegler fügt hinzu, Wissenschaft können man nicht ausrechnen und kritisiert damit eine fundamentale Richtung der PC-Technik mit ihrem überbordenden Anspruch nach einer umfassenden Digitalisierung aller Lebensbereiche. Eine totale Verarmung kontert Stiegler. Und fügt hinzu, die Abrüstungsgespräche zwischen Nixon und Brejnew hatten nicht Erfolg wegen der Sorge um einen Atomkrieg sondern eher wegen der Einsicht beider, dass die Technik unweigerlich eines Tages zu einem Unfall führen werde.
Mehrmals erwähnte Stiegler Nanostrukturen, die eigentlich nur in der Vorstellung existieren, wodurch Kants Erkenntnistheorie radikal in Frage gestellt werde.
Den so hochgepriesene Fortschrittsglauben kontert Stiegler mit dem Hinweis darauf, dass 70 % der Arten durch menschliches Handeln vernichtet worden seien. Die Weltkriege und auch Hiroshima und Nagasaki sthen für das Potential des Menschen die Vernichtung voranzutreiben.
Bernard Stiegler, Ce qui fait que la vie vaut la peine d’être vécue: De la pharmacologie, Paris: Flammarion – 273 Seiten: „Ce qui fait que la vie vaut la peine d’être vécue Qu’on l’admette ou qu’on le dénie, chacun sent bien qu’à présent l’avenir de la vie terrestre se trouve mis en jeu dans une urgence inouïe. Et chacun sait que, depuis la séquence historique qui s’est engagée en 2007 et qui paraît avoir déclenché ce qu’on appellerait en physique nucléaire une réaction en chaîne, chaque pas compte et semble se surcharger systémiquement de conséquences très difficilement réversibles – sinon absolument irréversibles….“
Auf die Frage, ob PCs in die Hand von Schülern gehören, erläutert er seine Ansicht, warum Schüler erst in der Sek II mit PCs arbeiten sollten. Zunächst gehe es in der Schule darum, Grundfertigkeiten, auch in der Mathematik, zu erlernen. Er habe in der Schule noch als 12-jähriger Satz vom Pythagoras lernen und dessen Beweis nachvollziehen müssen, das werde heute nicht mehr gefordert. Stiegler zielt auf den Rückgang des Wissens bei den Schülern, das durch die fehlende Konzentration verursacht werde. Dazu zähle auch die unheilvolle Tendenz, Schülern das Ausüben der Handschrift vorzuenthalten: vgl. dazu auf unserem Blog: > Ecrivez-vous à la main ou tapez-vous au clavier ? Schreiben Sie mit der Hand oder der Tastatur? – 24. August 2017 und > Texte schreiben oder Buchstaben suchen? Schreibschrift, Blockschrift oder Touchscreen? – 19. November 2015 und > auf dem Blog von Klett-Cotta: > Nachgefragt: Manfred Spitzer, Die Smartphone Epidemie. Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft – 15. Oktober 2018
Bernard Stiegler: «Toute technologie est porteuse du pire autant que du meilleur» – le Temps – 22.3.2018
Penseur de l’innovation technologique et de ses implications sociales, le philosophe plaide pour une disruption positive, qui redonne du sens à l’économie et crée de la valeur. L’inverse du système actuel qui s’est dévoyé sous l’influence des libertariens
> Séminaire Plaine-Commune/Ars-Industrialis séance 1 :
Wir zeigen hier einen der Videos auf dieses > Workshops:
> Building (Information Modelling) Real Smart Cities – 12 March 2019.
Stiegler Bernard, « Sortir de l’anthropocène », Multitudes, 2015/3 (n° 60), p. 137-146. DOI : 10.3917/mult.060.0137. URL : https://www.cairn.info/revue-multitudes-2015-3-page-137.htm
Bernard Stiegler, > The Neganthropocene, . Edited and translated by Daniel Ross, London: Open Humanities Press 2018: „In the essays and lectures here titled Neganthropocene, Stiegler opens an entirely new front moving beyond the dead-end “banality” of the Anthropocene. Stiegler stakes out a battleplan to proceed beyond, indeed shrugging off, the fulfillment of nihilism that the era of climate chaos ushers in.“
Les Entretiens du nouveau monde industriel 2018
> L’Intelligence des villess et la nouvelle révolution urbaine
Paris. Centre Pompidou. Grande Salle. 18 et 19 décembre 2018
à suivre