Europa: Bundeskanzlerin Merkel antwortet auf Präsident Macron
5. Juni 2018 von H. Wittmann
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> Rappel : Les discours du Président de la République et l’Europe
und ganz besonders:
In der Sorbonne hat Präsident Macron am 25. September mehr als 20 Vorschläge vorgestellt, mit denen Europa reformiert werden soll:
> Initiative pour l’Europe – Discours d’Emmanuel Macron pour une Europe souveraine, unie, démocratique – 26. September 2017
In der Ausgabe vom 3. Juni 2018 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung FAS steht ein Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, das Thomas Gutschker und Eckart Lohse mit ihr geführt haben. Merkel antwortete auf Fragen zu Europa und legte zugleich auch ihre Haltung zu wichtigen Reformvorschlägen von Emmanuel Macron dar.
Europa, Merkel erinnert an ihre Worte vor einem Jahr in Trudering, müsse sein Schicksal mehr in die Hand nehmen. Jetzt angesichts der sich immer mehr abzeichnenden Multipolarität der Welt müssten die Europäer sich „als gemeinsam handelnder globaler Akteur“ einbringen. Macron in seiner Sorbonne-Rede habe dies auch betont.
French Ambassador @amdescotes underscores intense cooperation between 🇩🇪🇫🇷 ahead of the 🇪🇺Council Summit. 🇫🇷 welcoming concrete 🇩🇪 proposals made by Angela Merkel in @faznet interview. pic.twitter.com/mB9BV03T5w
— Stiftung Genshagen (@SGenshagen) June 7, 2018
Die FAS fragt die Bundeskanzlerin, welche Wünsche sie Macron in Bezug auf die Zukunft Europas erfüllen wolle? Unsere Redaktion hätte hier als Antwort daraufhingewiesen, dass Macron einen Diskussionsprozess anstoßen wollte oder will und dass seine Vorschläge nicht als Forderungen zu verstehen sind. Frau Merkel sagt, bei ihre ständen die Gemeinsamkeiten im Vordergrund: gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik (da kommen gleich die Einschränkungen), gemeinsame Asyl- und Entwicklungspolitik (das wäre eine wirkliche Revolution). Die Kanzlerin verweist auf die jüngste deutsch-französische Inititative zur „disruptiven Innovation“. Vgl.: > Initiative franco-allemande pour stimuler l’innovation de rupture, Vgl. > Perspektiven für eine EU-Agentur für disruptive Innovation – Jacques-Delors-Institut, Berlin. Schnelleres Handeln bei disruptiven Innovationen, mahnt die Kanzlerin an, um sogleich „erfolgreiches Wirtschaften“ von einer Stabilisierung des EURO abhängig zu machen: Eine Banken- und Kapitalunion bräuchten wir, sagt die Kanzlerin. Ist das auch eine Revolution, man muss hier schon ganz genau lesen. Inwieweit geht die Kanzlerin auf die Vorschläge Macrons ein? Ein bisschen Unabhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds, aus dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM soll ein Europäischer Währungsfonds EWF werden, nach dem Vorbild des IWF.
„Wie genau stellen sie Sich das vor“, fragt die FAS die Kanzlerin. Und sie hat genaue Vorstellungen über die Kreditangebote des EWF, 30 und 5 Jahre Laufzeiten, „zwischenstaatlich“ – hier zählt wirklich jedes Wort – soll er organisiert sein. EWF und die EU-Kommission sieht die Kanzlerin als die beiden Säulen die die Stabilität der Eurozone bilde, nicht „garantieren“? Die Unterschiede in der EURO-Zone? Dafür ist eine „schnellere wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Mitgliedsstaaten“ notwendig. Im Berliner Koalitionsvertrag gebe es dazu einen Investivhaushalt als Vorschlag, der – das müsse noch geklärt werden – innerhalb oder außerhalb des EU-Haushalts verwaltet werde: „Im unteren zweistelligen Milliardenbereich“ – hatte Macron nicht eine wesentlich höhere Summe vorgeschlagen?
Drängt die Kanzlerin zur Eile? „Wir sollte das jetzt in einem Zug klären: wie der künftige Haushalt der ganzen EU aussehen soll und wie die Struktur der Eurozone gestaltet ist.“
Die FAS zitiert Günther Oettinger, der von 12 Milliarden EURO Mehrkosten für Deutschland spricht. Die Kanzlerin verweist auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht, dass mehr für den Zukünftigen Haushalt gezahlt werde.
Wie gehe es mit den EU-Außengrenzen weiter, möchte die FAS wissen: Merkel erinnert an die gerade geschaffene > Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in der EU-Verteidigungspolitik – EUR-Lex. Jetzt sehe sie Grenzsicherung, gemeinsame Asylpolitik und Bekämpfung der Fluchtursachen „als wirkliche Existenzfragen für Europa“. Freizügigkeit reimt sich für sie mit dem Schutz der EU-Außengrenzen. Und man darf Schengen nicht in Gefahr bringen, das würde unseren Wohlstand beeinträchtigen. Die Verunsicherung in Italien rühre daher, dass es mit der großen Zahl an Flüchtlingen alleingelassen wurde. Vergleichbare Asylstandards in Europa, einheitliche Verfahren an den europäischen Außengrenzen. Aus Frontex müsse ein echte europäische Grenzpolizei werden.
Zur Erinnerung: > Bericht von Frau Annegret Kramp-Karrenbauer und Herrn Jean-Marc Ayrault zur Förderung der Integration in unseren Gesellschaften – 9. April 2016
Die FAS fragt nach, die Kanzlerin wünsche eine „gemeinsame Flüchtlingsbehörde für die EU, ein europäisches BamF“? Die Kanzlerin: „In der Endausbaustufe brauchen wir eine gemeinsame europäische Flüchtlingsbehörde, die an den Außengrenzen alle Asylverfahren durchführt, (Soll das heißen, dass kein Migrant mehr nach Deutschland kommen darf, der nicht als Asylant anerkannt ist?, die Red.) auf der Grundlage eines einheitlichen europäischen Asylrechts“. „Endausbaustufe“, ein Ziel, das nie erreicht wird…, das klingt so, als wenn diese Flüchtlingsbehörde nicht in diesem Jahr, sondern erst viel später kommt?
Die Bundeskanzlerin seht der Idee Macrons einer Interventionstruppe „positiv“ gegenüber. Aber sie müsse in die Struktur der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit eingepasst sein. Diese Initiative könnte auch für Großbritannien geöffnet werden. Die Kanzlerin erinnert daran, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee sei und das bedeute „ja nicht, dass wir bei jedem Einsatz mit dabei sind“.
Ein Anfang ist gemacht. Aber nun muss noch mehr kommen. Die Europapolitik muss den Bürger/innen besser erklärt werden. Viele haben nicht verstanden, dass es nicht um Mehrbelastungen geht, sondern um eine Stärkung des Wohlstandes und eine Fortsetzung des Erfolgsmodells EU geht, dass seine Mitglieder in Frieden vereint.
Was wird Präsident Macron im Elyéepalast denken, wenn er seine Rede > Initiative pour l’Europe – Discours d’Emmanuel Macron pour une Europe souveraine, unie, démocratique – 26. September 2017 mit diesem Interview der Kanzlerin vergleicht? Ein nüchternes Interview in einer Sonntagszeitung, die nicht so viele Bürger erreicht, und eine Rede mit Leidenschaft und Aufbruchsgeist in der Universität, die an die gerichtet ist, die morgen Europa gestalten werden?
Gemeinsam sind wir stärker, so würde unsere Redaktion die Angebote von Präsident Macron in vier Worten zusammenfassen. Eine offene Diskussion seiner Vorschläge, das Ausloten aller gemeinsamen Möglichkeiten und Lösungen, die die Nationalstaaten alleine nicht schaffen können, würde Europa um Lichtjahre voranbringen. Die Kanzlerin hat Recht, wenn sie andeutet, dass die Situation in Italien auch unsere Schuld sei. Die EU hat Italien mit dem Flüchtlingsproblem zu lange alleingelassen.
Robert Bosch, Michaela Wiegel (FAZ) empfiehlt diesen Kommentar:
Constanze Stelzenmüller > Angela Merkel stretches out a hand to her neighbours – Financial Times, 4.6.2018