Nachgefragt: De Gaulle, Mitterrand, Macron und die Idee einer Europäischen Konföderation
20. Mai 2022 von H. Wittmann
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Kürzlich haben wir am 6. Mai den Europatag gefeiert: > Am 9. Mai ist Europatag
Der wiedergewählte Staatspräsident Emmanuel Macron hat diesen Tag genutzt, um in Straßburg seine Vorschlag hinsichtlich der Schaffung einer Europäischen Konföderation vorzustellen: > 9 mai 2022: Le discours d’Emmanuel Macron à Strasbourg lors de clôture de la Conférence sur l’avenir de l’Europe. Auf unserem Blog haben wir seine Rede ausführlich dokumentiert.
Heute hat unsere Redaktion Professor Ulrich Lappenküper aus Hamburg in unserem Homeoffice empfangen und wir hatten die Gelegenheit mit ihm ausführlich über den Vorschlag Emmanuel Macrons zu sprechen, ihn mit seiner Hilfe historisch und inhaltlich einzuordnen.
Professor Ulrich Lappenküper ist Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung, in der u.a. die Werke Otto von Bismarcks neu ediert sowie sein Nachlass ausgewertet wird. Er ist auch außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Zu seinen Forschungsgebieten gehören u. a, die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen während der V. Republik und das 19 Jahrhunderts.
Wir sind uns 2008 schon einmal begegnet, als er im Institut Français in Stuttgart aus Anlass des 50. Jahrestages der Gründung der V. Republik einen Vortrag mit dem Titel > 50 Jahre V. Republik gehalten haben, der immer noch auf unserem Blog angehört werden kann.
Auf unserem Blog :
> L’Europe nous protège: Les discours d’Emmanuel Macron sur l’Europe > Hörensagen: De Gaulle, “Das Europa der Vaterländer” Unsere Redaktion hat wichtige Aussagen de Gaulles zu Europa auf Französisch und Deutsch hier dokumentiert: > Ein vereintes Europa – Une Europe unie – auf dem Weg zu einer Konföderation – 16. Mai 2019 |
Am 9. Mai dieses Jahres hat Staatspräsident Emmanuel Macron in Straßburg anlässlich der Beendigung der Konferenz über die Zukunft Europas eine Rede gehalten und einen Ausblick auf die von ihm so favorisierte Reform, er nennt es immer la réfondation, also eine Art Neugründung Europas gegeben. Er spricht sich für eine Änderung der Europäischen Verträge aus und hat dabei zwei Aspekte im Auge: einerseits um die Reform der EU-Verträge und andererseits um die Bildung einer europäischen politischen Gemeinschaft in Anlehnung an Mitterrands Konföderationsplan. Wir haben Professor Lappenküper gefragt, wie er diesen Begriff der Konföderation einzuordnen. Meint Macron heute das Gleiche wie das, was Mitterand 1989 unter Konföderation verstand?
Macron akzentuiert den politischen Charakter der von ihm vorgeschlagenen Konföderation. Hat er im Sinn etwas nachholen zu wollen, was man mit der schnellen Entwicklung (EURO etc.) der EU übersehen hat? Wäre die von Macron vorgeschlagene Konföderation etwas Zusätzliches zur EU, Zur Euro-Gruppe zum Europarat? Wie verstehen Sie, wie bewerten Sie seinen Vorschlag?
In seiner > Neujahrsansprache am 31. Dezember 1989 erwähnte Mitterrand die Konföderation: „- Entweder wird die Tendenz zur Zersplitterung, zur Zersplitterung zunehmen und wir werden wieder das Europa von 1919 haben – den Rest kennen wir – oder Europa wird sich aufbauen. Es kann dies in zwei Etappen tun, zunächst durch unsere Zwölfergemeinschaft, die ihre Strukturen unbedingt stärken muss, wie sie es gerade in Straßburg beschlossen hat. …
– Die zweite Etappe muss noch erfunden werden: Ausgehend von den Vereinbarungen von Helsinki erwarte ich, dass in den 90er Jahren eine europäische Konföderation im wahrsten Sinne des Wortes entsteht, die alle Staaten unseres Kontinents in einer gemeinsamen und dauerhaften Organisation für Handel, Frieden und Sicherheit vereint.
Und am 13.3.1990 erklärte Mitterrand vor dem tschechoslowakischen Parlament; seine Vorstellungen eines erweiterten Europas, das die osteuropäischen Länder in eine Konföderation einbindet.
„Ich wünsche mir, dass diese Konferenzen im Rahmen dessen stattfinden, was ich eine europäische Konföderation genannt habe. Jeder wird das Vokabular verwenden, das ihm am besten gefällt, Präsident Havel hat sich zum selben Thema geäußert, nicht mit denselben Worten, aber mit denselben Zielen. Vorschläge dieser Art kamen auch aus Polen und anderen Ländern. Nun, da ich den Haager Kongress von 1948 erwähnt habe, da ich gesagt habe, dass es neun Jahre gedauert hat, um zu wirklich politischen Strukturen zu gelangen, warum noch länger zögern? Warum sollte man sich nicht vorstellen, schon im nächsten Jahr eine breite Debatte zu führen, unter Europäern aller Kulturformen, die verschiedenen Blöcken angehört haben, aber froh sind, wieder zusammenzukommen, um gemeinsam etwas aufzubauen. Ich habe Ihrem Staatspräsidenten gesagt, dass ich mir Prag aufgrund seiner historischen und geografischen Lage recht gut als Veranstaltungsort für diese Gespräche vorstellen kann. Auf jeden Fall werde ich von meiner Seite aus daran arbeiten.
Wäre Macron gut beraten gewesen, statt an Mitterrand an de Gaulle zu erinnern? Oder hat er mit seienr Rede doch an de Gaulle erinnert?
Am 14. Dezember 1965hat de Gaulle seine europapolitischen Vorstellungen in einem Gespräch mit Michel Droit erläutert: “Wohlgemerkt, dieses Europa wird nicht – wie man sagt ‘supranational’ sein. Es wird sein, wie es ist. Es wird mit einer Kooperation beginnen. Und durch das Zusammenleben, wird es eine Konföderation werden. Das kann ich mir sehr gut vorstellen gerne und das ist überhaupt nicht unmöglich.” (Alle Übersetzungen in diesem Artikel stammen von unserer Redaktion.)
Der wirtschaftliche Erfolg der Sechs reichte de Gaulle nicht aus: “Westeuropa, ob es sich nun um seine Aktivitäten gegenüber anderen Ländern oder um seine Verteidigung oder um seinen Beitrag zur Entwicklung von Regionen handelt, die sie benötigen, oder ob es um seine Pflicht zu einem europäischen Gleichgewicht und internationaler Entspannung geht, Europa muss sich politisch konstituieren.”
Die Staaten die die EU verlassen haben, die die noch nicht drin sind, denkt Macron an England und die Ukraine?