Bundeskanzlerin Merkel, Staatspräsident Macron und die NATO
25. November 2019 von H. Wittmann
Aktuell:
> Emmanuel Macron: Discours sur la stratégie de défense et de dissuasion devant les stagiaires de la 27ème promotion de l’Ecole de guerre – 13. Februar 2020
Aktualisiert am 25.11.2019, nachdem unsere Redaktion bei der Bundesregierung nachgefragt hat.
Im deutsch-französischen Verhältnis knirscht es seit längerem – Sand im Getriebe oder normale mehr oder weniger laute Betriebsgeräusche? – seit die Bundesregierung zögerlich auf die europapolitischen Vorschläge von Macron antwortet, bzw. nicht antwortet. Nun hat das Interview von Präsident Macron in The Economist vom 7. 11.2019 für neuen Zwist gesorgt:
Auf unserem Blog:
> Emmanuel Macron: Die Nato und Europa – 10. November 2019 > Auf Deutsch: Rede von Staatspräsident Emmanuel Macron anlässlich der Verleihung des Karlspreises – 22. Mai 2018. > Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht vor dem Europäischen Parlament in Straßburg – 13. November 2018 |
Am 23.11.2019 berichtete Steven Erlanger in der New York Times von einem Streit zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron, bei dem die Bundeskanzlerin sich beim Präsidenten beklagt habe: > Merkel and Macron Publicly Clash Over NATO. Merkel habe gesagt, so Steven Erlanger: „“I understand your desire for disruptive politics,” Ms. Merkel said. “But I’m tired of picking up the pieces. Over and over, I have to glue together the cups you have broken so that we can then sit down and have a cup of tea together.”“ – Muss man das als Streit ganz hoch hängen? Klingt aber auch versöhnlich, weil gleich das Teetrinken kommt? Aber der Hintergrund ist ernster Natur. Wir erinnern uns an Gespräche mit unseren französischen Freunden, die ihrer Sorge, Berlin verpasse durch das Abwarten vor allem in Bezug auf > die europapolitischen Vorschläge von Macron eine große Chance, Ausdruck verliehen. Eine Verstimmung der Bundeskanzlerin ist spürbar, die mehrere Ursachen haben kann: Verärgerung über die Initiativen Macrons, fehlende gewohnte Absprachen vor Verlautbarungen, Vorpreschen des Präsidenten in Sachen > Europa u. v. m. oder eine Art von Selbstärger, weil Berlin Probleme und Schwierigkeiten, hat, Macron zu folgen: s. > Brexit, Europe, Paris et Berlin: Alfred Grosser répond à nos questions – 19. April 2019) – Wie auch immer dieser Sachverhalt ist eine Aufforderung, die Aussagen in den Medien kritisch zur Kenntnis zu nehmen und ganz besonders in den sozialen Netzwerken äußerst kritisch zu lesen, weil dort oft Bewertungen schnell vorgenommen werden, ohne dass der Sachverhalt geklärt ist. So eben mit dem „Hirntod“, (so Zeit online, die einen > Tweet schickt, der sich beim Angucken mit den Hashtags > #merkel #macron #nato #hirntod beim flücjhtigen Leser festsetzt) ein Begriff der schnell mit dem Ende der NATO verbunden wurde, was, wie festgestellt, Macron nicht gemeint hat. LE POINT spricht in einem > Tweet gar davon „Les relations entre Angela Merkel et Emmanuel Macron se détériorent…“
Sut oder Streit? Sir haben bei der Bundesregierung nachgefragt: Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hat heute in der Bundespressekonferenz auf Nachfragen der Journalisten gesagt:
„Ich kann Ihnen aber so viel sagen: In der Erinnerung der Bundeskanzlerin an diesen Abend gab es weder Klage noch Wut oder Streit. Was es gab, war eine wunderbare Runde, in der es im Wesentlichen um die Ereignisse und die Entscheidungen von vor 30 Jahren hin zur deutschen Einheit ging.
Daneben ging es auch um die oft unterschiedlichen politischen Herangehensweisen Deutschlands und Frankreichs an Themen und Herausforderungen sowie um die Tatsache, dass wir stets gemeinsame Lösungen suchen und finden. Das war Inhalt und Geist dieses Abendessens. Dabei erst wie’s daraufhin, dass dieses Gespräch als. Vertraulich behandelt werde und es darüber keine Auskunft geben. gleichwohl habe er versucht, den „Geist und den Inhalt dieses Abendessens“ eben darzustellen. Zum Thema Nato, so Seinert, „habe die Bundeskanzlerin ja mit Blick auf das Interview des französischen Präsidenten das Ihre dazu gesagt, nämlich dass sie das anders ausdrücken würde und dass sie, wie sie meiner Erinnerung nach sagte, einen solchen Rundumschlag nicht für notwendig gehalten hätte.“
Zum “Rundumschlag“ fügte Seibert hinzu: „Ich habe über die gute, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten jetzt nichts weiter zu sagen. Frankreich ist unser wichtigster Partner und Freund in Europa, und dementsprechend gestaltet sich die Zusammenarbeit. Das macht uns nicht zu Ländern, die gleich sind, und darin liegt auch der Reiz.“
Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob die Bundeskanzlerin die Auffassung des französischen Präsident teile, Europa könne sich selber verteidigen, sagte Seinert: „Auch die Bundeskanzlerin hat ja in der Vergangenheit häufiger darüber gesprochen, dass es für Europa richtig und angezeigt ist, zu seiner eigenen Verteidigung, zu seiner eigenen Sicherheit mehr beizutragen – aber nicht anstelle der Nato, sondern innerhalb ihres Nato-Engagements und nicht, um das Nato-Engagement sozusagen zu ersetzen.
Die Nato muss sich – das haben wir hier ja auch neulich schon gehabt – immer sich verändernden Bedingungen anpassen, und das hat sie über die Jahrzehnte als ein starkes Bündnis auch geschafft. So ist immer wieder ein neuer Diskussionsprozess in der Nato nötig. Der Außenminister hat dazu gerade einen Vorschlag gemacht – der richtig ist und der auch die Unterstützung der Bundeskanzlerin hat -, um die Nato an die Entwicklungen im Sicherheitsumfeld anzupassen. Dabei werden die Meinungen und die Haltungen aller Verbündeten, natürlich auch Frankreichs, in die Diskussion einfließen.“
Man muss viele Kommentare lesen, um sich ein Bild zu machen:
@akk au @faznet: Au-delà du terme de „mort cérébrale“ , l‘analyse d’ @EmmanuelMacron est cohérente et pertinente; à lire absolument #Otan #Macron
— Michaela Wiegel (@MichaelaWiegel) November 21, 2019
> Aufgaben:
Quand est-ce Président Macron a parlé d’une mort cérébrale de l’OTAN? Citez > sa phrase exacte et tenz compte du contexte de cet avis. Une rapide recherche: Qu’est-ce que l’OTAN? La date de sa fondation, ses membres. Qu’est-ce que l’article 5? Pourquoi les propos du Président Macron ont-ils irrité les membres de l’Alliance? Une petite recherche: Choisissez deux journaux en France et deux journaux en Allemagne. Qu‘est-ce qu’ils pensent des propos de Macron? Et les réactions du monde politique? Vous choisissez quelques tweets… plus ou moins représentatifs. Et, d’aprés vous, quel est le résultat de ce débat? Vous avez déjà compris, la prochaine fois, notre rédaction vous donne tout simplement un sujet et vous pourriez formuler les questions et bien sûr les réponses vous-mêmes. |
Was ist passiert? Präsident Macron hatte in einem Interview mit The Economist die NATO als „hirntod“ bezeichnet: Vgl. dazu auf unserem Blog: >Emmanuel Macron: Die Nato und Europa – 10. November 2019.Die Bundeskanzlerin hatte diese Bezeichnung umgehend zurückgewiesen und sich dann, wie Steven Erlanger berichtet, bei einem Diner in Berlin anlässlich des 30. Geburtstages des Mauerfalls angeblich erregt oder wütend (> „Ich bin es leid“: Als sie Macron zur Rede stellt, wird Merkel ungewöhnlich wütend – Fokus 24.11.2019) gegenüber Macron geäußert. Macrons Kritik bezog sich in erster Linie auf den Angriff der Türkei im Norden Syriens und meinte damit, dass das Bündnis nicht in der Lage gewesen sei, dies zu verhindern. Mehrmals betonte der französische Präsident, die „Interopérabilité“ der NATO funktioniere. Sein Wort vom „Hirntod“ hat bei der Regierungen der Mitgliedsstaaten der NATO offenkundig zu erheblichen Irritationen geführt. Gegenüber Merkel, soll Macron geantwortet haben, dass er nicht nach London zum NATO-Treffen fahren und so tun könne, als ob die USA und die Türkei die gemeinsamen Interessen in Syrien gewahrt hätten: „Mr. Macron defended himself, saying that he could not simply go to a NATO meeting in London in early December and pretend that the United States and Turkey had behaved in the collective interest in Syria.“ Macron geht es um eine Überprüfung der NATO-Strategie, er hat nicht behauptet, dass die NATO am Ende sei.
Und was sagt Berlin? Im hier zitierten FOCUS-Arikel vom 24.11. 2019 wird am Schluss eine Aussage aus dem Auswärtigen Amt zitiert: „‚Nach Macrons Wortmeldung und nach dem unabgestimmten Handeln der Amerikaner und Türken in Syrien ist für Minister Maas offensichtlich, dass eine solche Diskussion um die großen strategischen Linien akut fehlt und geführt werden muss‘, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. ‚Wir hören auch von Partnern, unter anderem Frankreich, dass dort ähnlich gedacht wird.’“ Wenn dem so ist, klingt die Nachricht über den Streit zwischen Macron und Merkel wieder ganz anders: Wir sehen das auch so, kommt aus Berlin, die Strategie der NATO muss überdacht werden.
Es ist nicht einfach, den Stand der Dinge festzustellen:
> macron mort cérébrale OTAN – Twitter – > Macron, Hirntod, NATO – Twitter
Jetzt könnte man die Tweest zu diesem Thema in Deutschland und Frankreich zählen und gucken, in welchem Land sich wer, Politiker, Institutionen, Medien oder Privatleute zu diesem Thema äußern.
> Arbeiten im Französischunterricht: Suchen und Lernen mit Twitter – 4. Oktober 2019
Frankreichs Präsident Macron will Europas Militärkraft stärken – und empfängt sehr gemischte Signale aus Deutschland. Außenminister Maas will einen Arbeitskreis. https://t.co/Ra63K9WEB0
— Handelsblatt (@handelsblatt) November 20, 2019
Prominente Rückendeckung für den Vorschlag von @HeikoMaas zur #Nato-Reform: Generalsekretär #Stoltenberg findet die Idee "wertvoll". https://t.co/a2Ey9Umfb5
— ZDFheute (@ZDFheute) November 20, 2019
Die Kritik an der NATO von Bundesaußenminister Heiko Maas klingt ähnlich wie die von Präsident Macron:
Nach den Alleingängen der USA und Türkei warnt Deutschland vor einer Spaltung der #Nato. Außenminister Heiko #Maas will nun mit einem Gremium deren politische Funktion wiederbeleben.https://t.co/wYzaMhRmkM
— Tagesspiegel (@Tagesspiegel) November 19, 2019