1952: Der Streit zwischen Sartre und Camus

12. April 2013 von H. Wittmann



In einer Sondernummer zum Centenaire von Camus hat die Zeitschrift philosophie unter dem Titel Albert Camus. La pensée révoltée einen Artikel über den Streit zwischen Sartre und Camus vorgelegt: Entretien avec Frédéric Worms. La querelle avec Sartre.

1952 hat Francis Jeanson mit einer Rezension in Les Temps Modernes Camus‘ L’homme révolté zerrissen. Camus wandte sich an den Herausgeber Sartre, der in der folgenden Nummer Camus‘ Brief an ihn abdruckte („Monsieur le Directeur“) und in der gleichen Nummer Camus antwortete „Mon cher Camus…“ und ihm riet, L’être et le néant (1943) zu lesen, das für Camus, der, so Sartre, aus niedrigen Verhältnisse komme, sicher ein schwere Lektüre sei.(1) Im übrigen, so schloss Sartre seine Atnwort auf Camus‘ Vorwürfe, Camus könne ihm gerne nochmal schreiben, er werde ihm nicht mehr antworten. Beide haben sich danach bis zum Tod von Camus am 4. Januar 1960 nicht mehr wiedergesehen. Als Nachruf auf Camus veröffentlichte Sartre einen seiner schönsten Texte.

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> deutsch-französische Expertenkommission, die die französische Verfassung und das Grundgesetz miteinander harmonisieren wollen, wurde hier am 1. April veröffentlicht.

In den 50er Jahren wollte Sartre der PCF als „compagnon de route“ folgen. Trotz diverser Äußerungen zugunsten der Partei oder der UdSSR ist es völlig abwegig, Sartre als Kommunisten zu bezeichnen.(2) Um 1952 konnte und wollte er der fundamentalen Kritik Camus‘ an den totalitären Systemen nicht folgen, sonst hätte er sein Engagement an der Seite der PCF aufgeben müssen, was er erst 1956 nach einer scharfen Kritik an dem Einmarsch in Ungarn nachholte. Sartres Art als „compagnon de route“ die PCF zu „begleiten“ war ein von vorneherein aussichtloser Versuch, die Partei zu korrigieren. Sartre hat seine grundsätzliche Auffassung von der Freiheit des Menschen nie in Frage gestellt.

Der Artikel von Frédéric Worms ist für die Diskussion um den Streit zwischen Sartre und Camus sehr bezeichnend. Diese Art der Darstellungen gehen immer zugunsten Camus‘ oder Sartres aus, je nachdem aus welchem Lager sich der Autor, der über diesen Streit schreibt, zu Wort meldet. Worms erwähnt eher nur am Rande den Inhalt des Streits und beantwortet nur die Fragen die Eammnanauel Casajus und Sven Ortoli ihm gestellt haben.

Auf die Frage was Camus und Sarftre trenne und vereinige, behauptet Worms, die Auffassung,“die „Existenz habe keinen Sinn“ sei ihnen beiden gemeinsam. Das ist zu oberflächlich und trifft so nicht zu. Sartre lässt den Autodidakten in La Nausée sagen, das Leben habe den Sinn, den man ihm gebe. Und man wird bei > Camus vergeblich nach Äußerungen suchen, das Leben oder die Existenz habe keinen Sinn. Um es noch deutlicher zu sagen: Das Absurde ist bei Camus nur eine Art Diagnose, danach folgt die Revolte als eine Haltung, die für Camus der Künstler verkörpert.

Und was trenne Sartre und Camus wird Worms gefragt? Est es nicht ganz einfach, eine wirkliche Trennungslinie zwischen Camus und Sartre zu finden, und so wirkt Worms Antwort sehr konstruiert. Camus nehme eine humanistische Position ein, die das Absurde akzeptieren wolle, weil sie nicht eliminierbart sei, und Sartre wolle die Freiheit realsieren… – Worms Bemerkung, Sartre wende sich gegen einen dogmatischen Marxismus – ist richtig, hätte aber angesichts der Kritik, die Sartre am Marxismus und seinen Folgen vorbringt -, noch deutlicher ausfallen können. Camus soll geglaubt haben, Sartre verfolge eine totalitäres Projekt… Diese Bemerkung als Zusammenfassung ihres Streits ist unzureichend und nur geeignet, Unterschiede zu konstruieren.

Beide Autoren haben ihre Werkteile durch ihre Untersuchungen zur Ästhetik und zur Position des Künstlers, seiner Freiheit und Verantwortung miteinander verbunden. Worms hat Recht, Sartre und Camus werden heute wieder gelesen: „Camus reste une boussoule pour l’antitotalitarisme“, sagte Worms (S. 125), liest man z. B. Sartres Questions de méthode, in ders. Critique de la raison dialectique, Paris 1960, wird man von Sartre das auch sagen müssen.

1. Vgl. H. Wittmann, Albert Camus and Jean-Paul Sartre, in: id. Aesthetics in Sartre and Camus. The Challenge of Freedom, translated by Catherine Atkinson, Reihe Dialoghi/ dialogues. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs. Edited by Dirk Hoeges, Band 13, Verlag Peter Lang, Frankfurt, Berlin, Bern u.a., 2009, S. 141-151.
2. Vgl. H. Wittmann, Sartre und die Kunst, Die Porträtstudien von Tintoretto bis Flaubert, Tübngen 1996, S. 73-88: Die Kritik am Marxismus. Von der „dezidiert kommunistischen Haltung Sartres“ spricht auch Nicole Colin in ihrem Lexikoneintrag über Sartre in: N. Colon, C. Defrance, U. Pfeil, J. Umlauf, Lexikon der deutsch-französischen Kulturbeziehungen nach 1945, Gunter Narr, Tübuingen 2013, S. 389. Eine > Rezension zu diesem Band folgt in Kürze.

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