Otmar Seul : Noch ist Frankreich nicht verloren ! * Parlamentsauflösung und Neuwahlen in Frankreich, Juni/Juli 2024 – eine politische Einschätzung

30. Juni 2024 von H. Wittmann



Heute ist der erste Wahlgang zur Nationalversammlung in Paris. Der zweite Wahlgang wird am 7. Juli stattfinden. Am 9. Juni hatte Staatspräsident Macron die Nationalversammlung aufgelöst. > Auflösung der Nationalversammlung.

Unsere Redaktion hat einen Beitrag zur Wahl in Frankreich von Otmar Seul erhalten.

Prof. Dr. O. Seul, emeritierter Professor für Rechtssprache der Universität Paris Nanterre Mitbegründer des integrierten deutsch-französischen Jura-Studiengangs Paris Nanterre/Potsdam, Pionier für Deutsch-Französisch-Europäische Sommeruniversitäten in Rechtswissenschaften; Publikation in Vorbereitung: Ed. „Die Zivilgesellschaft im Rechtsstaat. Nachdenken über die europäischen Werte“, Brüssel, Peter Lang-Verlag, Herbst 2024

• Unser Titel ist dem Beginn der polnischen Nationalhymne nachempfunden: „Noch ist Polen nicht verloren“ (Jan Henryk Dąbrowski). Der Text entstand 1797 in den Reihen polnischer Emigranten, die nach den polnischen Teilungen (Kościuszko-Aufstand) in der Cisalpinischen Republik, einem napoleonischem Satellitenstaat in Italien, Zuflucht fanden und militärische Verbände von polnischen Freiwilligen zum Schutz dieser Republik und später zur (vergeblichen) Befreiung der Heimat aufstellten.

Die Massenmobilisierungen gegen die Alternative für Deutschland (AfD) im Frühjahr dieses Jahres haben bekanntlich weitere starke Zugewinne der Partei bei den kürzlichen Europawahlen nicht verhindert. Im Vergleich zum Rechtsruck im Nachbarland Frankreich aber halten sie sich in Grenzen: dort haben am 9. Juni 2024 fast 40 % der Wähler europaskeptische, rechtspopulistische oder rechtsextreme Überzeugungen zum Ausdruck gebracht. Mit 31,4% der Stimmen erhält Marine Le Pens Partei der „Nationalen Sammlung“ (Rassemblement national: RN) mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Zweitplatzierte, Regierungspartei Renaissance (14,6%). Sie erhöht damit schlagartig die Chancen von Le Pen, sich 2027 im dritten Anlauf bei der Direktwahl des französischen Präsident durchzusetzen.

„Die Macht zum Greifen nahe?“ Eine legitime Frage, die aber bereits jetzt auf Beantwortung drängt, nachdem Präsident Emmanuel Macron unter dem Eindruck des verheerenden Wahlergebnisses noch am 9. Juni überraschend das Parlament aufgelöst und sofortige Neuwahlen angesetzt hat. Verfassungsrechtlich nicht bedenklich, aber politisch riskant, lautet der Tenor der öffentlichen Reaktionen. Macrons einsame Entscheidung wirkt sich für „republikanisch“ gesinnte Franzosen destabilisierend aus. Sie löst Irritationen und Ängste aus, das Ergebnis der anstehenden Parlamentswahlen könne dem Land eine „cohabitation“ wider Natur aufzwingen: eine geteilte Exekutive, bei der das Staatsoberhaupt und die stärkste Fraktion im Parlament zwei politischen Lagern mit unvereinbaren Identitäten und Zielsetzungen angehören, die die Handlungsfähigkeit der Exekutive stark einschränken.

Die Gründe für den präsidialen „Coup“ sind nachvollziehbar. Er entspricht dem Kalkül, dass dank der Formierung eines republikanischen Blocks um die Regierungspartei Renaissance die Machtbalance im Parlament neu austariert werden kann. Zulauf verspricht man sich aus liberalen und sozial-demokratischen Kreisen der zerstrittenen Linken, deren kurzfristige Allianz (NUPES) bei den Parlamentswahlen von 2022 – mit dem Gewinn von 131 von 577 möglichen Sitzen – am fehlenden Konsens bei der Bildung einer gemeinsamen Fraktion scheiterte. Ebenso rechnet Macron mit Überläufern aus der gespaltenen gaullistischen Partei Les Républicains (LR), die bei den Europawahlen nur noch 7,3% der Stimmen erhält.  Bitte lesen Sie weiter: >
SEUL Otmar Noch ist Frankreich nicht verloren 29 06 2024-2

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