Es knirscht zwischen Paris und Berlin
17. April 2019 von H. Wittmann
Der Brexit, den die Briten nicht in den Griff bekommen, hält die EU unnötig auf. Gerade jetzt vor den Europawahlen im Mai hätte die EU Wichtigeres zu tun, als ständig neue Verschiebungen des Brexits in Kauf nehmen zu müssen. Insoweit Präsident Emmanuel Macron hat Recht, wenn er sich gegen eine lange Verschiebung des Brexit mit immer größerer Unsicherheit über die Ansichten der Briten wendet. Die EU hat sich die Tagesordnung von den Briten diktieren lassen und dadurch sind viele Themen liegengeblieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte offenbar einen längeren Aufschub für die Briten als Präsident Macron akzeptieren. Nun haben sich die Staats- und Regierungschefs auf den 31.10.2019 als Austrittsdatum für den Brexit geeinigt – mit der Option, dass Großbritannien auch eher austreten kann, wenn das Unterhaus den Austrittsvertrag mit der EU doch noch akzeptieren sollte.
Wie auch immer, die Entscheidungslosigkeit der Briten den anderen Mitgliedsstaaten der EU wichtige Zeit gekostet – gerade auch, um Präsident Emmanuel Macron eine wirklich substantielle Antwort auf seine europapolitischen Vorschläge zu geben: > Der Gastbeitrag von Emmanuel Macron: Ein Appell zugunsten Europas – 5. März 2019 – mit allen Links zu seinen Reden über Europa. Dei Vorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer hat auf seine Vorschläge sehr schnell geantwortet: > Der Appell von Emmanuel Macron und die Antwort von Annegret Kramp-Karrenbauer – 12. März 2019. In der Tat greift sie viele Vorschläge des Präsidenten auf, aber ihre Gedanke, den Standort Straßburg des EU-Parlaments aufzulösen, hat in Paris ganz erhebliche Irritationen ausgelöst, wodurch kaum noch Zeit blieb, die Übereinstimmungen zu diskutieren und zu bewerten.
Ist dieses Gerangel um den Brexit es wert, die Stimmung zwischen Paris und Berlin eintrüben zu lassen? Es nicht einfach, nach den Gründen für dieses Knirschen zu suchen. Sind es innenpolitische Erwägungen, die diesen Dissens zwischen Macron und Merkel so offen zutagetreten lassen? Ist das unseelige Brexit-Problem nur ein Vorwand für Berlin, um von anderen Problemen oder Fragen abzulenken? Nach der > Unterzeichnung des Aachener Vertrags und der ersten Sitzung der Deutsch-französischen Parlamentsversammlung sollte le #francoallemand eigentlich besser funktionieren. Wichtig: Sucht man auf Twitter nach > „deutsch-französische Kooperation“ gibt es jetzt deutlich häufigere Nachrichten als vor der Unterzeichnung des Aachener Vertrags.
Jetzt nennt Jean Quatremer in Libération am 14. April 2019 sogar von Scheidung: > Le couple franco-allemand au bord du divorce. „Das ist übertrieben,“ sagt Christian Lequesne, Professor an Sciences Po, > Paris-Berlin. Nachgefragt: Christian Lequesne répond à nos questions – 17. April 2019, er lässt dann aber doch durchblicken, dass die Berliner Reaktionen auf die Europa-Vorschläge von Emmanuel Macron nicht ausreichen. Und ein Beamter im Quai d’Orsay meint sogar, nach der Sorbonne-Rede von Präsident Macron habe man eine historische Chance verpasst und deutet die deutsch-französische Kooperation zunehmend als eine Zweckgemeinschaft, die doch sehr stark von den innenpolitischen Einflüssen abhängig sei.