Der Staatspräsident

30. November 2006 von H. Wittmann



Um die Tragweite der Präsidentschaftswahlen in Frankreich besser zu verstehen, blättern wir mal in der Verfassung von 1958.

1962 gab es Verfassungsreform, bei der die Franzosen die Frage, ob der Präsident künftig vom Volk gewählt werden sollten, mehrheitlich mit ja beantworteten. Bis dahin wurde er von einem Wahlgremium gewählt, das unter anderm aus den Mitgliedern des Parlaments (Senat und Nationalversammlung) und der Bürgermeistern mit einer unterschiedlichen Anzahl von Ratsmitgliedern gemäß der Größe der Kommune, die sie vertraten, bestand.

De Gaulle wünschte die Wahl des Staatsoberhauptes durch das Volk, damit der Präsident, dessen Mandat sieben Jahre dauerte, sich von den Parteien deutlicher abheben könne und erinnerte damit wieder an seine Rede in Bayeux, wo er 1946 von einem Staatsoberhaupt gesprochen hatte, das über den Parteien steht. Tatsächlich verleiht die Wahl durch das Volk dem Präsidenten eine andere, umfassendere Legitimität als dies bei der Wahl durch ein vergleichsweise kleines Wahlgremium der Fall gewesen war.

Der Präsident ernennt den Premierminister und ernennt auf dessen Vorschlag die Regierungsmitglieder. Er kann diese nur entlassen, wenn der Premierminister dies vorschlägt. Den Premierminister kann er nur entlassen, wenn dieser den Rücktritt der Regierung einreicht. (Art. 8) – Alle Präsidenten haben ihn um einen solchen Schritt immer gebeten. Der Präsident hat den Vorsitz im Ministerrat. (Art. 9) Er verkündet die Gesetze und kann eine erneute Lesung verlangen. (Art. 10) Artikel 11 regelt sein Recht hinsichtlich einer Volksbefragung, die er einleiten kann, wenn es um die Organisation der öffentlichen Gewalten, Reformen der Wirtschafts- oder Sozialpolitik geht. Der Präsident kann, nach Konsultation des Premierminsiters und der Präsidenten der beiden Kammern die Nationalversammlung auflösen. Er ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Art. 15), und er kann unter bestimmten Umständen, wenn die Integrität des Territoriums bedroht und die öffentlichen Gewalten in ihrer Funktionen behindert werden, die durch die Umstände geforderten „Maßnahmen“ ergerifen. Das können Notstandsgesetze sein. Wird dieser Artikel angewendet, tritt das Parlament zusammen und kann während dieser Zeit nicht aufgelöst werden.

Seit der Volksfragung von 2000 wird die Dauer seines Mandat auf 5 Jahre reduziert.

> La Constitution de la Ve République (1958) Zweisprachig, auf dem Server des juristischen Seminars der Universität Saarbrück.

Es lohnt sich, die Präsidentschaftswahlen im Unterricht, zumal wenn in Geschichte gerade die Weimarer Republik behandelt wird, zum Anlaß zu nehmen, die Weimarer Verfassung und die der V. Republik (1958) miteinder zu vergleichen: Beide zählen wie > neigeblanche hier schrieb, zu den „régimes semiprésidentiels“, in denen der Präsident mit einer Regierung auskommen muß, die die gleiche Legitimierung durch das Volk hat wie er.

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