Albert Camus (1913-1960)
Geburtstagsfeier im Literaturhaus Stuttgart
Iris Radisch liest aus ihrer Biographie
7. November 2013 von H. Wittmann
Gestern abend haben wir in Stuttgart in Camus‘ Geburtstag heinengefeiert. Das > Literaturhaus Stuttgart wieder einmal überfüllt. Um 19 Uhr wurde in Kooperation mit ARTE der Dokumentarfilm von Joël Calmettes „Albert Camus, Lektüre fürs Leben“ (ARTE France 2013, 54 Min.) gezeigt. Danach stellte Iris Radisch – sie schreibt seit 1990 für DIE ZEIT – ihre jüngst bei Rowohlt erschienene Biographie Camus – Das Ideal der Einfachheit vor:
„Ein Mann, der zum Mörder wird, weil ihn die Sonne blendet – bis heute ist „Der Fremde“ eine der berühmtesten literarischen Figuren der Welt. Albert Camus, sein Schöpfer, ist der Philosoph des Absurden, der Denker der Revolte – und immer der Anwalt der Einfachheit, die dem Algerienfranzosen das Grundgegebene unter der Sonne und zugleich das am stärksten Gefährdete war. »Aktueller denn je«, lautet der Befund der Literaturkritikerin Iris Radisch, die uns aus Anlass seines 100. Geburtstages auf eine faszinierende Reise mitnimmt: von Belcourt, dem ärmlichen Viertel Algiers, in dem Camus mit einer stummen Mutter aufwächst, in das graue Paris, das unter deutscher Besatzung die Moral der jungen Existenzialisten herausfordert,“ hieß es in der Ankündigung des Literaturhauses. Die Moderation des Abends hatte Hinrich Schmidt-Henkel, der Jüngst zusammen mit Uli Aumüller die Dramen Camus‘ in einer neuen Ausgabe neu übersetzt hat.
Albert Camus notiert im Sommer 1951: „Antwort auf die Frage nach meinen zehn bevorzugten Wörtern: ‹Die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer.“ Iris Radisch stellte sie Worte ein wenig um, und hatte damit schon das Inhaltsverzeichnis ihres Buches.
Iris Radisch gelang es, ihre Zuhörer in ihren und Camus‘ Bann zu ziehen. Sie berichtete von seiner Einfachheit, seiner schweigsamen Mutter, von seinen Jahren in Paris, seinem Streit mit Jean-Paul Sartre, der zum endgültigen Zerwürfnis zwischen den beiden Freunden führte. Mit der Vorstellung ihres Buches hat sie den Zuhörern eindrucksvoll vermittelt, was Camus für uns heute bedeutet, und was man nach der Lektüre seiner Werke für sich und andere daraus machen kann.
Nach ihrer Lesung traf sich Iris Radisch mit den Schülerinnen der Waldorfschule in Filderstadt zu einer Diskussionsrunde. Die Fragen der Schüler und die Antworten wirkten wie ein Ausschnitt aus einer längeren Diskussionsrunde. Durch ihren Unterricht waren die Schüler perfekt auf diese Runde vorbereitet. Es war ein Vergnügen, ihren Fragen zuzuhören und zugleich zu beobachten wie engagiert und präzise Iris Radisch ihre Fragen beantwortet hat:
Unbedingt lesen:
Iris Radisch, > „Er sagte: Hab keine Angst!“ > auf einer Seite lesen – DIE ZEIT, 7.11.2013
Um den 100. Geburtstag von Albert Camus auf unserem Blog gebührend zu feiern, zeigen wir hier nochmal unser erstes Video, das wir am 29. Januar 2010 im Institut français in Bonn anlässlich eines Vortrags von Rupert Neudeck über Camus aufgenommen haben:
Bereits anlässlich der Tagung Albert Camus und die Kunst (14. bis 16. November 2003) im Schwäbischen Tagungs- und Bildungszentrum Kloster Irsee hat Rupert Neudeck einen Vortrag mit dem Titel > Camus der Journalist gehalten. Nach seinem Vortrag berichtete Rupert Neudeck den Tagungsteilnehmern über die Geschichte der Hilfsorganisation CAP ANAMUR und über seine neue Organisation. Die entscheidende Stelle in La Peste, das Vademekum aller NGOs, lautet: „Ganz am Schluß rettet der windige Bursche Rambert dann doch noch die Würde des Journa-lismus. „Man kann sich schämen, allein glücklich zu sein“; „Mais il peut y avoir de la honte à être heureux tout seul,“ erklärte Neudeck in seinem Vortrag.
> Artikel über Albert Camus auf unserem Blog
> Un siècle avec Albert Camus – France-Inter
> Albert Camus. Kunst und Moral – www.romanistik.info
Macha Séry, > L’ami Camus, les parutions du centenaire – LE MONDE DES LIVRES | 06.11.2013
In diesen Tagen ist wieder viel vom Gegensatz zwischen Sartre und Camus zu lesen. Es wird an den Streit zwischen beiden erinnert, der auf die Rezension von Francis Jeanson folgte, der 1952 in Les Temps Modernes einen Verriss von Cams‘ L“homme révolté (1951) veröffetnlicht hatte. Camus beklagte sich darüber in einem offenen Brief an den Direktor der Zeitschrift Jean-Paul Sartre: „Monsieur le Directeur…“. Sartre verteidigte Jeanson und riet Camus L’être et le néant zu lesen, das sei aber sicher eine schwierige Lektüre für Camus und Sartre erinnerte an die Herkunft Camus aus einfachen Verhältnissen. In den 50er Jahren versuchte Sartre sich als „compagnon de route“ der P.C.F. zu betätigen, die aber von seinen Ideen zur Freiheit nicht viel hören wollte. Erst 1956 brach er öffentlich mit seinen Freunden, den sowjetischen Schriftstellern, weil sie den Einmarsch in Ungarn nicht verhindern konnten. Liest man sein 1947 erschienenes Manifest zur Literatur Qu’est-ce que la littérature? und z.B. seine Kritik am Marxismus besonders in Questions de méthode (1957), dann ergibt sich ein ganz anderes Bild, zu mal, wenn man bedenkt, dass er alle Ansprüche, die mit der Freiheit des Menschen verbunden sind, s. L’être et le néant (1943) nie aufgegeben hat. Das Buch > Aesthetics in Sartre and Camus untersucht die Ästhetik in den Werken der beiden Autoren. Der Streit zwischen beiden, der der Veröffentlichung von Camus‘ L’homme révolté (1951) folgte und im folgenden Jahr nach einem heftigen öffentlich in Form eines Briefwechsels ausgetragenem zum Bruch ihrer Freundschaft führte, unterstrich ihre Gegensätze. Wenn man aber die Funktion und die Bedeutung der Kunst und der Freiheit in ihren Werken untersucht, werden fundamentale Übereinstimmungen in ihren Werken erkennbar.