Französisch entlang der Rheinschiene

25. Mai 2007 von H. Wittmann



Nach dem Wunsch der Landesregierung in Baden-Württemberg sollen Schüler in einem und 180 Kilometer langen Streifen entlang der französischen Grenze künftig Französisch ab der fünften Klasse lernen. Von dieser Regelung sind etwa 60 Gymnasien betroffen.

Im Januar 2007 hat sich der > Landeselternbeitrat Baden-Württemberggegen die Pflichteinführung von Französisch als erste Fremdsprache an den Gymnasien der Rheinschiene ausgesprochen. Mit einer Liste von > 11 Gründen, weshalb aus Elternsicht die Wahlfreiheit bzg. der Fremdsprachenfolge aufrechterhalten werden muss.

Den Streit als solchen möchte ich gar nicht kommentieren, beide Seiten haben hier ihre guten Gründe. Allerdings enthalten die 11 Gründe einige Aussagen, die das Anliegen der Autoren nicht fördern. Die Arbeitsplatzsicherung mit Englisch ist nicht unbedingt einleuchtend, wird doch bei einer Kandidatenauswahl der- oder diejenige vorgezogen werden, eben weil sie (auch) mit der französischen Sprache gut vertraut ist. Das Argument „Englisch ist aufgrund der immer stärkeren Durchdringung auch der deutschen Sprache durch Anglizismen für Kinder eine interessante Sprache,“ lässt den Beitrag der französischen Geschichte, Literatur und Philosophie in ihrer einzigartigen Form für Europa und die Welt außen vor. Dabei geht es nicht um einen einen wie immer gearteten Vorrang der englischen oder amerikanischen Kultur gegenüber derjenigen Frankreichs. Ich denke dabei nur an die Vielfalt, die die französische Sprache Schülerinnen und Schülern bieten kann. Die > Romanistik ist nun mal ein Fach, das in der Kombination mit Geschichte, Sozialwissenschaften und Politik, zum Fundament der europäischen Kultur gehört. Die Vielfalt der > deutsch-französischen Studiengänge ist eine wichtige und bemerkenswerte Errungenschaft der deutsch-französischen Beziehungen.

„Die Kinder freuen sich darauf, Englisch zu lernen, dies ist unter neurophysiologischen Aspekten der beste Lernansatz,“ so der Landeselternbeirat. > Wie gesagt, Englisch ist im Sprachaufbau, hinsichtlich der Menge an Vokabeln und Redewendungen eindeutig die schwerere Sprache. Der Anfang ist leicht, aber die gute Beherrschung verlangt eine außerordentlich intensive Übung und Lernzeit. Im übrigen ist diese Frage zugunsten des Französischen oder Englisch kaum zu entscheiden, zu zahlreich sind die wohl begründeten Argumente beider Seiten, die ohne Zweifel viele gute Aspekte bieten.

„In vielen weltweit agierenden Firmen ist Englisch auch in den deutschen Niederlassungen ‚Firmensprache‘. Da immer mehr Familien aus beruflichen Gründen in das Ausland abwandern, ist das gute Erlernen der englischen Sprache notwendig,“ heißt es in den genannten 11 Gründen. Unter bildungstheoretischen Aspekten sticht dieses letzte Argument nicht. Der Schulunterricht ist doch kein Sprachkurs für Auswanderer, sondern er vermittelt die Kultur unseres Landes, zu der nicht nur wegen der Geschichte, sondern auch wegen der wirtschaftlichen Aspekten auch die Beziehungen zu Frankreich gehören.

Viel wichtiger als die jetzt entstandene – und nicht entscheidbare – Diskussion um den möglichen Vorrang der englischen Sprache ist die unbedingte Stärkung des Faches Französisch und zwar bundesweit gemäß der vielen Kulturabkommen, die mit Frankreich seit 1950 geschlossen wurden. Im Deutsch-Französisches Kulturabkommen vom 23.Oktober 1954 heißt es: „Die hohen vertragschließenden Teile tragen, soweit irgend möglich, Sorge dafür, dass in allen Universitäten und höheren Lehranstalten ihres Gebietes Unterricht in der Sprache und Literatur des anderen Teiles veranstaltet und dass Schülern diese Sprache als erste oder zweite obligatorische lebende Sprache zur Wahl gestellt wird. Sie tragen ferner dafür Sorge, daß den Schülern der Fachschulen sowie der höheren Handels- und Gewerbeschulen die gleichen Möglichkeiten geboten werden.“ zitiert von Ingo Kolboom, in: > Was wird aus der Sonderbeziehung? Plädoyer für eine neue deutsch-französische Nähe: Wider die „Normalisierung“ als Diskurs der Entfremdung Erschienen in: Dokumente. Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, Heft 3, Juni 2000, S. 207-214. *.pdf 128 kb (Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Ingo Kolboom ist Professor an Romanischen Seminar der TU Dresden.)

Die Verordnung der Landesregierung soll ab kommenden Schuljahr gelten. Jetzt hat eine Karlsruher Mutter, wie > Der Spiegel, 17.5.2007, berichtet, über ihren Anwalt einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einreichen lassen, mit dem Ziel, die aktuelle Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Fremdspachen zu erhalten.

> Französisch an der Rheinschiene *.pdf, 91 kb,
Flyer des Kultusministerium Baden-Württemberg

> Französisch in der Grundschule, 44 S. *.pdf,darin:
Dr. Klaus Teichmann, Landesinstitut für, Erziehung und Unterricht Stuttgart, Plädoyer für eine große Sprache
Oder: Warum am Oberrhein Französisch die erste Wahl sein muss, S. 10 f.

> Fremdsprache Französisch Bildungsplan – Impulse Hauptschule: „Der Französischunterricht entlang der Rheinschiene leistet als zusätzliches Angebot zum Englischunterricht einen wichtigen Beitrag zur Mehrsprachigkeit, die in einem Vereinten Europa und im Zuge der Globalisierung unverzichtbar erscheint. Durch die besonderen Beziehungen im Rahmen des deutsch-französischen Vertrages und der damit verbundenen persönlichen und institutionellen Kontakte, durch die engen wirtschaftlichen Verflechtungen Deutschlands mit Frankreich und der unmittelbaren geographischen Nähe kommt der Nachbarsprache Französisch eine große Bedeutung zu. Die Teilnahme an der Zusatzqualifikation Französisch eröffnet den Hauptschülerinnen und Hauptschülern neue Berufschancen – sowohl diesseits als auch jenseits des Rheins.“

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