Die Vorstellung des deutsch-französischen Geschichtsbuchs
25. September 2006 von H. Wittmann
Im Institut français in Stuttgart gab es heute abend eine dreifache Premiere. Zuerst begrüßte der neue Hausherr, M. Christian Dumon, der als Direktor des Instituts Bernard Bessières folgt, der im August wieder nach Frankreich zurückgekehrt ist, die Gäste des heutigen Abends.
2. Premiere: M. Dumon ist zugleich auch der neue Generalkonsul in Stuttgart. Und schließlich folgte die Vorstellung des deutsch-französischen Geschichtsbuch Histoire/Geschichte. Europa und die Welt seit 1945. Das ist der Dritte Band. die beiden ersten Bände sind in Vorbereitung.
Philippe Alexandre, Professor am Centre de recherches germanique de l’université de Nancy, berichtete in seinem Vortrag über die Konferenzen zur Schulbuchforschung, die schon im 19. Jahrhundert begannen. Früh hatte man die überragende Prägewirkung von Schulgeschichtsbücher auf das Geschichtsbild der eigenen Zeit erkannt. In dem Maße wie die Nationalstaaten an Bedeutung zunahmen, nahm auch die staatliche Einflußnahme zu. Vor 1914, z.B. auf dem Welfriedenskongreß von Paris, zwischen den beiden Weltkriegen unter dem Einfluß des Völkerbundes und nach 1945 gab es verschiedene Initiativen, die auf die Gestaltung von Schulgeschichtsbüchern versuchten, Einfluß zu nehmen. Professor Alexandre erinnerte an die Beilage von DAS PARLAMENT, die 1954 die Geschichte und die Perspektiven der Schulbuchforschung vorstellte. Das deutsch-französische Geschichtsbuch knüpft an die erfolgreiche Tradition der Arbeit des > Georg-Eckert-Instituts in Braunschweig für internationale Schulbuchforschung an. 1989 veröffentlichten dort Rainer Riemenschneider und Andrea Hofmeister die Ergebnisse der Schulbuchkonferenzen von 1981-1987.
Peter Geiss, Autor des neuen Geschichtsbuches Studienrat am Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium mit einem deutsch-französischen Zweig – eine sehr interessante Schule, an der ich meine Referendarszeit absolviert habe – stellte den Ansatz und den Aufbau des deutsch-französischen Geschichtbuchs, berichtete über heftig diskutierte Fragen im Autorenteam und nannte Themen, die unstrittig waren. Fragen wie die Bewertung des Zweiten Weltkriegs oder des 8. Mai waren völlig unkritisch. Unterschiedliche Sichtweisen gab es bei den französischen und deutschen Autoren hinsichtlich der Rolle der transatlantischen Beziehungen: Stichworte wie die Luftbrücke oder die Kennedy-Rede in Berlin deuten auf deutsche lieux de mémoire hin, während in Frankreich die Beziehungen zu den USA, Stichwort: amerikanischer Kulturimperialismus, anders und kritischer gesehen werden. Solche Diskussionen sind nicht durch Kompromisse gelöst worden, sondern werden unter dem Stichwort „regards croisés abgehandelt. Ein anderes Beispiel ist die Behandlung des Kommunismus in deutschen Schulbüchern unter dem Eindruck der sowjetischen Bedrohung, des SED-Staates und der Stasi dargestellt, während in Frankreich an die Rolle der Kommunisten im Widerstand gegen die deutsche Besatzung erinnert wird. Auch hier werden die unterschiedlichen Sichtweisen thematisiert. Das deutsche Wirtschftswunder nach 1945 wird in einem solchen Gechichtsbuch relativiert und in den europäischen Kontext eingebettet
Noch ein Wort zum Buch selbst. In Frankreich sind die Quellen meist viel unmittelbarer mit dem Verfassertext verbunden, weil der Text die Schülermethodisch präzise zu bestimmten Fragestellungen anleitet. Diese enge Verknüpfung ist für deutsche Schüler eher ungewohnt, wobei jetzt die französischen Schüler auch neue und andere Arten von Fragestellungen kennenlernen, etwa in der Art von „Formulieren Sie eine Antwort auf das sowjetische Berlin-Ultimatum von 1948.“ Das deutsch-französische Geschichtsbuch enthält also auch implizit einen Vergleich einen Vergleich der beiden Geschichts-Fachdidaktiken, bei dem beide Seiten voneinander lernen können. Die detailierte Form der französischen Methode zeigt sich u.a. auf den Seiten zur Explication de textes oder auf der Seite mit einer Anleitung zur Erklärung historischer Karten, die in französischen Schulbüchern aufgrund der französischen Tradition der Verbindung von Geographie und Geschichte viel häufiger als in deutschen Schulgeschichtsbüchern anzutreffen sind.
Blogeinträge sollen ja eigentlich kürzer sein, aber manchmal oreintieren sie sich auch an der Qualität der Veranstaltung. N.d.l.r.
Mehr Fotos von diesem Abend erscheinen am Donnerstag in meinem > Fotoalbum auf der Website der Freunde des Institut français de Stuttgart / Les amis de L’Institut.