Éditorial. Liest man den > Élysée-Vertrag von 1963 und bald auch den neuen Aachener Vertrag fällt zuerst gar nicht mehr auf, um was für besondere Verträge es sich handelt.
Der Aachener Vertrag ist zwar ein neuer Vertrag, aber er ersetzt ausdrücklich nicht den Élysée-Vertrag, er ergänzt ihn.
Der Text des > Aachener Vertrags und hier > > Deutschland und Frankreich schließen Vertrag von Aachen – Website der Bundesregierung. Die französische Fassung: > Traité de coopération franco-allemand d’Aix-la-Chapelle – Website des Außenmisteriums in Paris.
General De Gaulle dachte Anfang der sechziger Jahre gar an eine politische Union mit Deutschland und wollte mit dem Deutsch-französischen Vertrag Deutschland an Frankreich mehr binden und war mächtig enttäuscht, als der Bundestag bei der Abstimmung über das Ratifikationsgesetz zum Elysée-Vertrag ihm eine Präambel vorsetzte, in dem die Wünsche de Gaulles in ihr Gegenteil verkehrt wurden und die Bindung Deutschlands an das Atlantische Bündnis und die Weiterentwicklung der EWG betont wurden. Nun, das wird mit dem Aachener Vertrag nicht passieren. Trotz aller Einschränkungen in der Beurteilung des Élyséevertrages, bleibt festzuhalten, dass er sich als Wunder erwiesen hat: zwei Länder verpflichteten sich zu halbjährigen Konsultationen auf höchster Ebene. So was ähnliches wird jetzt auch dem Aachener Vertrag beschlossen, der den Élysée-Vertrag ergänzen soll: künftig müssen Paris und Berlin sich vor den EU-Gipfeln treffen – das machen sie ohnehin schon immer. In manchen Teilen wirkt dann der Aachener Vertrag auch wie ein Protokoll der Entwicklungen der letzten Jahre: Aber auch die deutsch-französischen Beziehungen sind ein Prozess, ganz so wie die EU, aber ein aufregender Prozess, da ein solcher Vertrag zwischen keinen anderen Ländern auf der Welt existiert. Und dazu noch zwischen zwei Ländern, die in der jüngsten Geschichte drei erbitterte Kriege miteinander geführt haben. Man muss den neuen Vertrag sehr genau lesen, er wird das Erreichte beschreiben und dem Neuen eine Form bieten, die es zu füllen gilt. Dahinter verstecken sich mehr als Absichtserklärungen, es sind gegenseitige Vorschläge an die Adresse Deutschlands und Frankreichs, das wollen wir zusammen machen, in diesem Rahmen werden wir uns bewegen. Diese Lektüre des Vertrags wird zeigen, dass er ein bemerkenswerter Meilenstein der deutsch-französischen Beziehungen werden kann.
Wieviele erfolglose Versuche gab es in der Geschichte, den Krieg zu verbannen? Frankreich und Deutschland zeigten der Welt, wie man das macht. Danach kommen erst die anderen Probleme oder Kritteleien am den beiden Verträgen, die wir dann alle auf das genannte Konto der fortlaufenden Prozesse buchen können. Neu ist auch das Parlamentsabkommen, mit denen 100, 50 französischen und 50 deutschen Abgeordneten die Möglichkeit gegeben wird, die deutsch-französischen Beziehungen zu verfolgen, sie müssen künftig von beiden Regierungen informiert werden.
Der Aachener Vertrag ist auch ein Zukunftsprogramm. Man muss nicht darüber klagen, was nicht drin steht, sondern man darf staunen über alles das, was sich in den deutsch-französischen Beziehungen künftig entwickeln kann und in den Vertrag passt. Der Élysée-Palast hat das wunderbar formuliert und nennt den Aachener Vertrag „einen Kooperations- und Integrationsvertrag“. Er gibt eine Form vor, die die Politik und die Zivilgesellschaften künftig noch besser als bisher füllen sollen. Alfred Grosser hat das mal so formuliert: „Expliquer, expliquer, toujours patiemment exliquer.“
Der Élysée-Vertrag besiegelte 1963 die Aussöhnung nach 1945 – an der Alfred Grosser u.a. mit dem Comité pour l’échange avec l’Allemagne nouvelle einen solch großen Anteil hatten. Und der Élyséevertrag hatte damals schon einen programmatischen Charakter, aber heute ist der Aachener Vertrag noch viel mehr ein Programm auf der Basis der in den letzten 56 Jahren erreichten Zusammenarbeit. Er öffnet jetzt ein neues Kapitel für unsere beiden Länder. Zum Vorteil von Europa.
Auf unserem Blog: > Vom Élysée-Vertrag zum Aachener Vertrag im Januar 2019
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron werden am 22. Januar 2019 in Aachen den neuen deutsch-französischen Vertrag unterzeichnen, dazu hat das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 9. Januar seine Zustimmung gegeben. Unsere Redaktion ist auf den endgültigen Vertragstext, der schon “Aachener Vertrag” genannt wird, sehr gespannt.
Jetzt heißt er nicht mehr Freundschaftsvertrag, jetzt wird er Kooperations- und Integrationsvertrag genannt, aber der Freundschaftsvertrag von 1963 gilt weiter:
> Signature d’un nouveau traité de coopération et d’intégration franco-allemand – site du Palais de l’Élysée:
“ Le 22 janvier 2019, le Président de la République française, Emmanuel MACRON, et la Chancelière de la République fédérale d’Allemagne, Angela MERKEL, signeront un nouveau traité de coopération et d’intégration franco-allemand. La cérémonie de signature aura lieu dans la salle du couronnement de l’hôtel de ville d’Aix-la-Chapelle.
Le traité d’Aix-la-Chapelle s’appuiera sur le socle fondateur du Traité de l’Élysée de 1963, …“
> Außenminister Maas zum neuen deutsch-französischen Vertrag– Website des Auswärtigen Amtes:
„Der neue Vertrag wird den Elysée-Vertrag von 1963 nicht ablösen, sondern fortschreiben. Beide Verträge sollen gleichberechtigt nebeneinander stehen.“
Da steckt wohl noch mehr dahinter:
> Paris und Berlin wollen einen gemeinsamen Wirtschaftsraum gründen – Handelsblatt – 9.1.2019
Es gibt schon eine heftige Debatte in den sozialen Netzwerken aufgrund der Vorwürfe von Marine le Pen, Rassemblement National RN, vorher Front National, die Emmanuel Macron wegen des Aachener Vertrages Verrat vorwirft: Die Reaktion von > Sabine Thillhaye, LaREM, Abgeordnete des 5.Wahlkreises des Departements Indre-et-Loire und Mitglied des Verteidigungsausschusses der Nationalversammlung kam prompt. Ebenso hat Samuel Laurent (LE MONDE) die Position von Marine le Pen scharf kritisiert
L’intox de Marine Le Pen sur le traité d’Aix-la-Chapelle qui « affaiblit la France »: „Elle affirme que la France va « partager » son siège au Conseil de sécurité de l’ONU avec l’Allemagne à cause de ce traité. C’est faux.“